Die jüngste Franchise der NFL gewann die AFC South in vier der letzten fünf Jahre. In den Playoffs war allerdings spätestens in der Runde der letzten Acht Schluss. Head Coach Bill O’Brien steht dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit, denn er ist faktisch General Manager des Teams. Nur wenige andere Coaches dürften eine derart große Kontrolle über den Kader haben wie er. Diese nutzt er nicht nur bei Draft Picks und Neuverpflichtungen in der Free Agency, sondern auch für mitunter spektakuläre Trades. Einen Abgang der Franchise-Legende DeAndre Hopkins, hat wohl kaum ein Beobachter kommen sehen. Doch der Trade, der auf der Habenseite neben einigen Draftpicks auch Running Back David Johnson verbuchte, brachte O’Brien viel Kritik ein.
Offense
Die Texans bewiesen, dass sie scoren konnten, jedoch war die Offense nicht wirklich effizient. Die große Frage ist, wie DeAndre Hopkins ersetzt werden soll. 146 Mal war er Ziel von Watsons Passversuchen, davon fing er 104. Watson hat noch kein Spiel ohne ihn bestritten. Der Spielmacher selbst bekam von einem Expertenpanel ein außergewöhnlich gutes Zeugnis. Die Offensive Line hat sich verbessert, profitierte aber auch vom insgesamt geringen Verletzungspech. Neben dem Hopkins-Johnson-Trade tat sich auf personeller Seite wenig. Lediglich Randall Cobb (Packers, Cowboys) in der Free Agency und Development-Offensive-Tackle Charlie Heck (Draft 2020, Pick 126) kamen hinzu.
Quarterback
Deshaun Watson gehört zu den besten Quarterbacks der Liga. Er ist dabei eher der Playmaker als klassischer Pocket-Passer. Mit seinen Fähigkeiten zu laufen, gibt er dem Gegner immer eine weitere Dimension, auf die die Defense sich vorbereiten muss. Problematisch bleiben die Themen Konstanz und auch Turnover. Zwölf abgefangene Pässe und zehn Fumbles sind auf dem Niveau schlicht zu viel. Dazu würde es seiner Offensive Line helfen, wenn er den Ball früher losbekäme. Bei aller Kritik, Watson kann ein Spiel allein entscheiden. Ohne ihn wären die Divisionssiege und der Playoff-Run kaum vorstellbar gewesen.
Deshaun Watson wird niemals ein Quarterback sein, der starr in der Pocket steht und die Bälle verteilt. Dennoch könnte er sich das Leben einfacher machen, um weniger Hits einzustecken.
Skill Positions
Wie ersetzt man DEN Spieler der Franchise? Die Antwort der Texans war dafür zunächst einmal mehr Speed. So kam mit Brandin Cooks ein Akteur, der genau wie Will Fuller V das Feld vertikal attackieren kann. Beide haben in den letzten Jahren allerdings auch mit vielen Verletzungen zu tun und speziell der Absenz von Fuller war in der Texans-Offense merklich spürbar. Randall Cobb ist auch kein Kind von Langsamkeit und bestach sowohl in Green Bay, als auch in Dallas, durch Konstanz.
Erste Option dahinter ist Ex-Dolphins-Wideout Kenny Stills. Diese vier scheinen gesetzt. Dahinter kämpfen u.a. Keke Coutee, DeAndre Carter und Chad Hansen um ein bis zwei Spots auf dem Roster. Auf Tight End wird Darren Fells starten, der letzte Saison 7 Mal die Endzone erreichte. Jordan Akins lag bei über 400 Yards und ist ein wichtiger Spieler, da die Texans sehr gerne aus 12-Personell spielen. Kahale Warring, 2019 immerhin in der dritten Runde ausgewählt, verpasste die komplette Saison 2019 verletzt. Im Backfield verspricht sich Bill O’Brien viel von David Johnson, dahinter dürfte Duke Johnson gesetzt sein.
Offensive Line
Die Texans steigerten sich deutlich im Pass Blocking und sind in dieser Hinsicht eine der besseren Einheiten der Liga. Laremy Tunsil hat auf links das Potential einer der besten Tackles der Liga zu werden. Auf der rechten Seite ist Jungspund Tytus Howard gesetzt. Der Rest der Line ist vor allem noch ziemlich jung und hatte Probleme im Run Blocking. Houston hatte nur wenige Verletzungen 2019, auch das wirkte sich auf das verbesserte Zusammenspiel aus. Die Tiefe im Team ist kritisch. Charlie Heck, in der vierten Runde gedraftet, ist ein intelligenter Spieler mit hoher Einsatzbereitschaft. Er hat bei North Carolina wenig Fehler gemacht, die Frage ist, ob seine Athletik in der NFL ausreicht.
Innen sind Max Scharping, Zach Fulton und auf Center Nick Martin eingeplant, Scharping zollte 2019 seiner Unerfahrenheit durchaus Tribut. Er ist gelernter Tackle. Martin ist der beste Spieler innen, allerdings auch er deutlich besser in Pass-Protection. Greg Mancz kann als Guard oder Center auflaufen, sofern sich einer der Starter verletzt.
Coaching
Die Texans waren insgesamt ein recht balanciertes Team, jedoch mit Tendenz zum Pass. Das dürfte weniger am Analytics-Glauben von Bill O’Brien gelegen haben, sondern primär an der Tatsache, dass die Line den Lauf nicht blocken konnte. Das dürfte 2020 kaum besser werden. Die schnellen und agilen Receiver sind allerdings eine Herausforderung für jede Defense, insofern würde durchaus viel für eine vertikale Offense sprechen. Am Ende hängt es wie so oft am Quarterback.
Defense
Die Defense war 2019 die deutlich schwächere Einheit und hatte sowohl gegen den Lauf, als auch gegen den Pass Probleme. So sehen einige Beobachter auch den Ausblick für die Saison 2020 durchaus kritisch.
Front Seven
Die Hoffnungen ruhen einmal mehr auf J.J. Watt. Rookie Ross Blacklock (TCU, 2. Runde) soll den nach Cincinnati abgewanderten D.J. Reader ersetzen. Blacklock lebt von seiner Athletik, wird aber Zeit brauchen. Vor allem in klaren Pass Rush Situationen sollte er der Einheit direkt weiterhelfen. Whitney Mercilus hat die letzten Jahre eher abgebaut. Jonathan Greenard ist der nächste Akteur mit Athletik, aber noch zu verbessernder Technik. Auch er sollte primär als Pass Rusher eingesetzt werden.
Benardrick McKinney und Zach Cunningham sind eines der besseren Linebacker-Duos der Liga, insbesondere gegen den Lauf. Woher der Pass Rush kommen soll, ist allerdings eine ganz zentrale Frage.
Secondary
Die Secondary hat mehr Fragen als Antworten. Wenn Bradley Roby an seine besten Zeiten anknüpfen kann und die früheren First Rounder Gareon Conley und Vernon Hargreaves III ihr Potential abrufen, könnte die Einheit zumindest mittelmäßig sein. Hagreaves duelliert sich um einen Starter Spot mit Lonnie Johnson. Der hatte ein schwaches erstes Jahr in der Liga und man darf gespannt sein, ob er sich verbessern kann. Safety Eric Murray erhielt einen Vertrag über drei Jahre und 18 Millionen US-Dollar. Die größte Konstante ist Justin Reid der zusammen mit Murray das Safety-Duo in Houston bilden wird.
Coaching
Anthony Weaver wurde zum Defensive Coordinator befördert, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich schematisch viel ändern wird. Mit D.J. Reader hat der beste Run-Defender die Franchise verlassen. Spielt J.J. Watt das ganze Jahr durch, wird die Einheit automatisch besser. Doch bleiben viele offene Fragen. Woher kommt außerhalb von Watt der Pass Rush? Entwickelt sich Lonnie Johnson? Wie sehr kann das ordentliche Safety Duo Murray und Reid die restlichen Schwächen der Passverteidigung kompensieren?
Team Projection
Der Start in die Saison ist knüppelhart. 1-3 nicht ausgeschlossen. Sollte dies so kommen, wird es schnell unruhig werden. Houston hat immer noch einen der besten jungen Quarterbacks der Liga und das ist in der AFC South mit den Titans, Colts und Jaguars schon ein gewaltiges Pfund. Den Texans wird nichts anderes übrig bleiben, als offensiv ausgesprochen aggressiv zu spielen, denn die Defense hat sich verglichen mit 2019 kaum verbessert. Wenn O’Brien und seine Mannen Spiele gewinnen wollen, sollten sie regelmäßig 30+ Punkte erzielen. Kommen die Texans gut durch die ersten Wochen, sind neun oder zehn Siege möglich, denn der Spielplan wird zum Saisonende einfacher. Wenn nicht, ist nach unten vieles möglich.