Die New York Giants mussten äußerst harte Jahre hinter sich bringen: Nur neun Siege konnten in der Ära Shurmur eingefahren werden, satte 23 mal ging man als Verlierer vom Platz. Nicht weiter verwunderlich also, dass der Head Coach und mit ihm auch nahezu der gesamte restliche Coaching-Staff den Big Apple verlassen musste.
Coaching:
Head Coach
Eigentlich wollten die Giants Matt Rhule als neuen starken Mann an der Seitenlinie begrüßen, der ehemalige Head Coach der Temple Owls war der Wunschkandidat von John Mara. Rhule entschied sich aber in einer Nacht- und Nebelaktion für ein Engagement bei den Carolina Panthers – und die Giants mussten kreativ werden. Kreativ im Sinne von: Nehmen wir den Mann, der unter Bill Belichick und Nick Saban lernen durfte. Und schon war der neue Head Coach gefunden. Joe Judge – ehemaliger Special Teams Coordinator der New England Patriots, darf sich als neuer Spielleiter versuchen. Vorsicht es geboten, die Liste der gescheiterten Belichick-Schützlinge ist lang. Und tatsächlich schlägt Judge schon früh neue Töne an: Fehler im Training werden mit Extrarunden bestraft. Man versucht den Erfolg also mit Drill zu erzwingen.
Offensive Coordinator
Mit ihm zusammen kommt Jason Garrett, einer der kontroversesten Coaches der vergangenen Jahre. Garrett wurde nach – formulieren wir es vorsichtig – sehr schmeichelhaften Leistungen bei den Dallas Cowboys entlassen und soll nun als neuer Offensive Coordinator dem jungen Giants-Quarterback Daniel Jones zur Seite stehen. Seine untergeordnete Rolle im Giants Coaching-Tree wird sehr spannend zu beobachten sein.
Defensive Coordinator
Bleibt noch der Mann, der sich um die Defensive kümmern soll: Patrick Graham. In der abgelaufenen Saison hatte Graham dieselbe Rolle bei den Miami Dolphins inne und war zusammen mit Judge schon bei den Patriots als Trainer diverser Defensiv-Gruppen tätig. Für ihn bedeutet der neue Job auch eine Rückkehr: Von 2016 bis 2017 war Graham bei den Giants für die Defensive Line zuständig. Bei den Dolphins ließ Graham einen Mix aus vielen Defensiv-Packages spielen, was nun auch den Giants zu Gute kommen soll.
Quarterback:
Eli Manning hat sich in den Ruhestand verabschiedet, die Hoffnungen ruhen damit auf Daniel Jones. 2019 übernahm der ehemalige Erstrunden-Pick von Manning und konnte immer wieder sein Talent zeigen, hat allerdings mit massiven Ballverlust-Problemen zu kämpfen (18 Fumbles, elf verloren). Garrett und er müssen schnell einen Weg finden, seine Ballsicherheit zu erhöhen und die nächsten Entwicklungsschritte zu setzen. Noch wissen wir zu wenig, um über seine weitere Karriere urteilen zu können. 2019 war zeigte er sowohl gute als auch schlechte Seiten in seinem Spiel. Ein junger QB bei einem schlechten Team mit wenig Unterstützung hat es nicht leicht. Man muss geduldig abwarten.
Offensive Line:
Vergangenes Jahr laut PFF auf Platz 17 im O-Line Ranking, investierten die Giants mit Firstround-Pick Andrew Thomas ordentlich auf der Tackle-Position. Thomas wird nach dem Opt-Out von Left Tackle Nate Solder sofort starten und dürfte auch ein Upgrade zum schwächelnden Routinier darstellen. Ihm gegenüber dürfte mit Matt Peart ein weiterer Rookie als rechter Tackle aufgestellt werden. Innen steht mit Kevin Zeitler ein solider Guard auf der rechten Seite zur Verfügung, links ist Will Hernandez zwar gesetzt, wirklich überzeugen konnte er bisher aber nicht. Im Zentrum steht mit Spencer Pulley ein großes Fragezeichen und eine ordentliche Baustelle.
Skill Positions:
Jones hat definitiv einige Waffen um sich. Über Saquon Barkley muss man nicht mehr viel sagen. Wenn er fit ist, gehört er zu den besten Runningbacks der Liga und kann mit seinen Fangfähigkeiten stets für Gefahr aus dem Backfield sorgen. Als Passfänger steht Jones mit Golden Tate ein erfahrener und verlässlicher Mann zur Verfügung. Mit Darius Slayton konnte Jones im vergangenen Jahr schon eine Chemie aufbauen. Sterling Shepard muss ebenso wie Tight End Evan Engram verletzungsfrei bleiben, damit die Giants die Offensive auch voll ausnützen können.
Defense:
Die Defensive der Giants war in den vergangenen Jahren desaströs (Platz 24 2019 nach DVOA). Graham hat also eine Menge Arbeit vor sich, allerdings auch eine sehr junge Einheit, die auf vielen unterschiedlichen Positionen durchaus Potential zeigt. Über den Draft und die Free Agency wollte man etwaige Löcher bestmöglich stopfen.
Front Seven:
General Manager Dave Gettleman – selbst eine äußerst umstrittene Personalie – lebt nach dem Motto: “It all starts up front”. Mit der Verpflichtung beziehungsweise Verlängerung (Franchise Tag) von Leonard Williams bleibt er seiner Linie treu. Williams – Firstround Pick der New York Jets 2015 – wurde zwar nie zum gewünscht-dominanten Pass Rusher, dafür kann er gegen den Lauf aufzeigen und für ordentlich Unruhe in der Pocket sorgen. Überraschend zogen die Giants 2019 Dexter Lawrence in der ersten Runde des Drafts – und das sah für die erste Saison gar nicht so übel aus. Ihm ist sicherlich ein Schritt nach vorne, und damit auch höhere Sackzahlen, zuzutrauen. Dalvin Tomlinson konnte Snacks Harrison schon länger vergessen machen und brilliert wie sein Vorgänger hauptsächlich gegen den Lauf.
Bei den Linebackern bleibt es spannend, die Einheit wurde umgebaut: Defensive Coordinator Patrick Graham holt sich mit Kyler Fackrell (Neuzugang, Green Bay Packers) und Blake Martinez (Neuzugang, Green Bay Packers) zwei alte Bekannte ins Team. Fackrell dürfte sich mit Markus Golden um den Posten des Strongside Linebackers duellieren. Die Weakside dürfte Lorenzo Carter übernehmen, von dem ebenfalls eine Leistungssteigerung erwartet wird. Mit Martinez konnte man eine der großen Tackling-Maschinen der Liga in die Mannschaft holen, der die Mitte dicht machen soll. David Mayo dürfte neben ihm auflaufen. Von Fackrell weiß man, dass er immer wieder mal zum Quarterback durchdringen kann – wirklich viel Hoffnung auf einen dominanten Pass Rush der Einheit sollte man aber nicht haben.
Secondary:
Sprechen wir gleich über DeAndre Baker. Im Mai wegen bewaffnetem Raubüberfall verhaftet, wird der 22-Jährige jetzt auch definitiv in vier Fällen angeklagt. Baker drohen im Falle einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft. Dementsprechend auszuschließen, dass er seiner Mannschaft bald wieder zur Verfügung steht. Sam Beal, die eigentliche Vertretung für Baker, lässt die Saison ausfallen. Bleiben noch Neuzugang James Bradberry (Carolina Panthers) und Rookie Darnay Holmes übrig. Die eigentliche Stärke der Secondary liegt aber eindeutig bei den Safeties. Jabrill Peppers kann wie Rookie Xavier McKinney überall eingesetzt werden. Beide sollten sich ideal ergänzen und haben das Potential ein ligaweit äußerst gefährliches Duo zu bilden.
Ausblick:
Die New York Giants sind ein junges Team, das sich im Vergleich zu den vergangenen beiden Jahren verbessern sollte. Das ist prinzipiell schon nicht sehr schwer, viel mehr als der dritten Divisionsplatz hinter Dallas und Philadelphia wird aber nicht herausschauen. Es ist ein langfristiges Projekt eines jungen Teams mit jungem Head Coach. Sechs Siege sind angesichts des anspruchsvollen Spielplans das Höchste der Gefühle.
Schöner Artikel! Finde besonders die Personalie Jason Garrett spannend. War er eigentlich in den letzte Jahren bei den Cowboys der Playcaller?
Vor einigen Jahren hat mir seine Offense eigentlich ganz gut gefallen.