Cardinals 2020: Entwicklung notwendig

Die Arizona Cardinals starteten 2019 einen bemerkenswerten Neuanfang. Die Offseason wurde besser und besser. Nun gilt es, die Defense zu verbessern. Reicht das in der starken NFC West?

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26. April 2018. Arlington, Texas. Die Arizona Cardinals haben endlich ihren Quarterback der Zukunft, den sie seit dem Abgang von Kurt Warner sehnlichst suchen. Josh Rosen ist zum Zeitpunkt des zehnten Picks noch zu haben und so traden die Cardinals für ihn nach oben. Zeitsprung. Nach einer Saison mit lediglich drei Siegen entlassen die Cardinals Head Coach Steve Wilks am letzten Tag des Jahres 2018. Wenige Tage später ist Kliff Kingsbury, bis dato eher mittelmäßig erfolgreicher Head Coach bei Texas Tech der neue Cheftrainer. Im Draft wählen die Cardinals Quarterback Kyler Murray mit dem ersten Pick und schicken Rosen nach Miami. Kingsbury installiert seine Air Raid Offense und der Charakter des Teams verändert sich binnen Jahresfrist völlig.

Offense

Die klassische Air Raid, ursprünglich in den 1980er Jahren bei BYU entwickelt, sah einen Running Back, vier Receiver und wenig Laufspiel vor. Es war eine Underdog-Strategie, dazu gedacht, Teams mit besseren Athleten das Leben schwer zu machen. Kingsbury ließ zu Beginn der Saison genau so spielen, veränderte zu Saisonende jedoch seine Personalgruppen so, dass auch Tight End Maxx Williams und Charles Clay aufs Feld dürften. Es ist dennoch eine Offense mit vielen Spread-Elementen, die gerne auch den tiefen Pass einbaut. Quasi die Antithese zu den Raiders.

Quarterback

Kyler Murray, Quarterback, Oklahoma 5‘10‘‘ 207. Erster Pick des NFL Drafts 2019. Dieser Satz wäre noch bis vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen. Ein Spielmacher mit derartigen Maßen konnte froh sein, wenn er an Tag zwei ausgewählt wurde. Es zeigt die unwahrscheinliche Entwicklung der NFL in den letzten Jahren. Murray hatte seine Momente, angefangen beim Comeback Unentschieden in Woche eins gegen Detroit. Dennoch hat er noch einen weiten Weg zu gehen. Sowohl PFF, als auch die Effizienz-Metriken von Football Outsiders attestieren ihm noch gewaltigen Steigerungsbedarf. Murray wirft zweifelsohne einen tollen tiefen Ball und ist als Läufer immer eine Gefahr. Auch in der Liga attestiert man ihm vielversprechendes Potential.

Skill Positions

Den Trade von DeAndre Hopkins habe ich schon aus der Perspektive der Texans unter die Lupe genommen. Spoiler: Die Cardinals haben die glücklicheren Fans. Der Vertrag von Johnson ist nun in den guten Händen von Bill O´Brien und die Mannschaft aus Phoenix bekommt einen der besten Receiver der Liga. Er wird viel Spielzeit sehen, zusammen mit Christian Kirk und Larry Fitzgerald, die letzte Saison über 75% der offensiven Snaps spielten. Fitzgerald wird dabei aus dem Slot agieren. Dahinter gibt es etliche spannende Spieler. Andy Isabella hatte noch nicht den Einfluss auf die Offense, den man ihm als Zweitrunder zutraute. Er kämpft mit KeeSean Johnson um Spielzeit. Auf Seiten der Backs hatte Kenyan Drake ein fantastisches Jahr und sicherlich nicht nur mir eine Fantasy Liga gewonnen. Eine Überraschung könnte Rookie Eno Benjamin werden, der im Draft meiner Meinung nach (Ab Minute 14) viel zu weit gedroppt ist. Tight End Maxx Williams, in Baltimore als Draft-Bust verschrien, spielte eine gute Saison und wird 2020 ein wichtiger Teil der Offense sein. 

Offensive Line

Die Line als solche bleibt weitestgehend zusammen. Lediglich Center A.Q. Shipley verabschiedete sich nach Tampa Bay. Die früheren Draftpicks Mason Cole und Lamont Gaillard wollen dieses Jahr dort starten. Als linker Tackle machte D.J. Humphries den gewünschten Sprung nach vorne. Auch Justin Pugh und J.R. Sweezy stehen zumindest für Mittelmaß. Spannend wird die Besetzung des rechten Tackles. 2016er Undrafted Free Agent Justin Murray hat mit Drittrunder Josh Jones viel Konkurrenz bekommen. Dieser besticht vor allen Dingen durch seine Athletik. 2019 war die Line unter dem Durchschnitt, besonders in Pass Protection. Im Laufspiel klappte es insgesamt besser, aber das dürfte auch stark auf Murray, Drake und auf das Scheme zurückzuführen sein und weniger auf das Personal. Platziert sich die Line qualitativ in den Top 16 der Liga wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.

Coaching

Kliff Kingsbury ist ein Coach der Mut besitzt. Auch dafür steht die Air Raid, gleichwohl er sie nicht in Reinform spielen lässt und die Mannschaft offensiv erst dann deutlich besser wurde, als der Lauf eine größere Rolle spielte. Das ist allerdings ein ausgesprochen gutes Zeichen, denn es beweist, dass der junge HC nicht an starren Prinzipien hängt, sondern sich im Sinne des Teams anpasst. Murray hat jetzt ein Jahr mehr auf dem Rücken und offensiv gibt es durch die vielen guten Receiver, Backs und Ends auch viele Möglichkeiten, um zu variieren.

Defense

Die Defense 2019 war nicht gut. Es gab Probleme gegen den Pass, insbesondere über die Mitte des Feldes. Was in den meisten Air Raid Mannschaften im College ein Problem ist, sollte bei den Cardinals nicht zur Regel werden. Sonst wird der Erfolg ausbleiben. Alle Cardinals-Fans hoffen, dass Brett Kollmann Recht hat. Es wäre eine wundersame Wandlung und es gibt auch andere Prognosen.

Front Seven

General Manager Steve Keim hat im Frühjahr ordentlich Ressourcen in diesen Bereich gesteckt. Bis dato konnten sich die gegnerischen Akteure im Pass Rush auf Chandler Jones konzentrieren. Devon Kennard kommt nun als Unterstützung aus Detroit, dazu Nose Tackle Jordan Phillips, der 2019 seine mit Abstand beste Spielzeit bei den Buffalo Bills erlebte. Der Spieler, über den alle reden, ist jedoch ein Rookie. Isaiah Simmons ist vermutlich der verlorene Football-Sohn, den Pep Guardiola nie gesucht hat. Der achte Pick des diesjährigen NFL Drafts ist die Definition eines polyvalenten Spielers, eines Alleskönners, in der Defense. Es ist noch nicht mal klar, ob der ehemalige Clemson Tiger starten wird. Er kann jedoch in naher Zukunft der X Faktor der aggressiven Defense von DC Vance Joseph werden. Die Einheit hat mehr Tiefe, auch durch Neuzugang De’Vondre Campbell und die Rookie Defensive Tackles Leki Fotu und Rashard Lawrence.

Secondary

Cornerback Hilfe dringend gesucht. Robert Alford verpasst nun schon die zweite Spielzeit in Serie. Patrick Peterson war 2019 nicht mehr der dominante Spieler der früheren Jahre. Außen hatte Rookie Byron Murphy große Probleme, bis die Coaches ihn in den Slot zogen. Neu hinzugekommen ist Dre Kirkpatrick, auch er ein vormals hoher Pick, allerdings mit enormer Erfahrung als Starter bei den Bengals. Die Position ist die vielleicht größte Baustelle im gesamten Team. Dahinter sitzt mit Budda Baker einer der besten Safeties seines Faches. Wer neben ihm spielt, ist noch offen und wird sich zwischen Jalen Thompson und Deionte Thompson entscheiden.

Coaching

Jospeh lässt gerne aggressiv verteidigen und Kollmann schlüsselt die Kernelemente der Defense gut auf. Die Frage, ob man seinen Optimismus teilen muss, kann am Ende jeder nur für sich selbst beantworten. Ich sehe nach wie vor große Probleme in Pass Coverage. Die verbesserte Front sollte etwas Druck von der Secondary nehmen, es ist nur offen, wie groß die Entlastung am Ende tatsächlich ist.

Team Projection

Der Start der Cardinals ist machbar. Erst ab Woche zehn wird es richtig knackig. Klar ist, dass die Division wieder heiß umkämpft sein wird und ich bezweifle, dass die Entwicklung so stark voran geht, dass sie ernsthaft um die Krone der NFC West spielen können. Bei bestem Verlauf sehe ich acht bis neun Siege, damit hätten sie Chancen auf eine Wildcard. Eine ausgeglichene Bilanz ist in der NFL selten gewünscht, würde aber dafür sprechen, dass die Arizona Cardinals auf dem richtigen Weg sind.

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Christian Schimmel
365 Tage Football im Jahr sind möglich , GFL Kommentator, Tape-Nerd und Podcaster zu Draft, College und NFL.

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