Oklahoma Sooners: Preview 2020

Oklahoma geht als Titelverteidiger in die Big 12-Saison. Wie wird die Offense von Head Coach Lincoln Riley mit neuem Quarterback aussehen? Und kann die Defense endlich einmal die Offense zumindest ein wenig unterstützen?

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Nach einem Out-of-Conference-Spiel am vergangenen Wochenende und einer Woche Pause – die insbesondere Iowa State, Kansas State und Kansas nach ihren peinlichen Niederlagen gegen Sun Belt-Teams sehr gut gebrauchen können – steigt die Big 12 ab dem 26. September in ihren Conference-Spielplan ein. Aufgrund der aktuell nur zehn Big 12-Teams gibt es wie üblich ein Round-Robin, also jeder gegen jeden. Die beiden Teams mit den besten Bilanzen treffen sich dann erneut im Conference Championship Game. Beginnen wird die kleine Preview-Reihe mit dem Titelverteidiger, den Oklahoma Sooners.

Oklahoma: Ein kurzer historischer Abriss

Die Oklahoma Sooners gehören zu den traditionsreichsten und bekanntesten Programmen im College Football. Sie spielen seit mittlerweile 100 Jahren in der Big 12 beziehungsweise ihren Vorgänger-Conferences: ab 1920 der Missouri Valley Intercollegiate Athletic Association, dann der Big Six, Big Seven, Big Eight und nun seit 1996 der Big 12 Conference.

Die Erfolge der Sooners sind zahlreich: Besonders hervorzuheben ist hier die Ära um die 1950er Jahre unter dem legendären Coach Bud Wilkinson, die möglicherweise bis heute als größte Dynastie in der College Football-Historie betrachtet werden kann. Zwischen 1948 und 1958 verloren die Sooners nur in einer einzigen Saison zwei Spiele und blieben viermal (darunter drei Saisons hintereinander!) ungeschlagen. Die Sooners gewannen ihre Conference 14 mal in Folge von 1947 bis 1959. Dabei sprangen drei offiziell anerkannte und weitere drei „unclaimed“ National Titles heraus.

In den 1970er Jahren erlebte Oklahoma unter dem ebenfalls legendären Head Coach Barry Switzer und seiner Wishbone-Offense eine weitere Blütezeit. Von 1973 bis 1980 gewann man durchgehend die Big Eight (teils als Co-Champion), oftmals in erbitterten Duellen mit dem anderen Schwergewicht der Conference, den Nebraska Cornhuskers. 1974 und 1975 konnten zwei weitere National Championships verbucht werden. 1985 gelang Switzer ein dritter Streich mit dem Option-Wizard Jamelle Holieway – seinerzeit der erste true Freshman Quarterback, der die Meisterschaft gewinnen konnte.

(Beinahe-)Erfolge in der Big 12

Auch die Bilanzen in der ab 1996 neuformierten Big 12, zu der nun auch der erbitterte Rivale Texas stieß, können sich sehen lassen. Head Coach Bob Stoops führte Oklahoma zum National Title 2000 in einer Defensivschlacht gegen Florida State. Trotz stets guter Bilanzen und einiger weiterer Conference Championships langte es bislang nicht zu einem weiteren Titel. Stoops musste sich oftmals des Vorwurfs erwehren, dass sein Team in den wichtigsten Spielen nicht die beste Leistung abrief.

Nach Stoops’ Rücktritt ist seit 2017 das junge Offensivgenie Lincoln Riley am Ruder. Doch auch er schaffte es bislang nicht, die letzte Hürde zu nehmen. Dreimal wurde man Big 12-Champion, dreimal scheiterte man im Halbfinale der Playoffs an einem Team aus der SEC. Der Ablauf war dabei immer gleich: Eine explosive und punktereiche Offense, aber eine viel zu löchrige Defense. Gelingt nun endlich einmal der nächste Schritt? Oder ergeht es dem Team in den Playoffs erneut wie dem Sooner Schooner-Wagen hier beim Einlauf?

Oklahoma Offense: Lincoln Riley und seine Schemes

Riley ist einer der besten und innovativsten Offense-Coaches im gesamten Football. Er kommt aus der Air Raid-Schule, aber hat diese stark auf schnellem Passspiel basierende Philosophie sukzessive mit weiteren Elementen angereichert. Er verzichtet größtenteils auf die Air Raid-typischen Splits zwischen den O-Linern und kann so gerade im Laufspiel Spielzüge aus anderen Philosophien einhauen: seien es verschiedene Varianten mit pullenden O-Linern, Power Runs oder diverse Option Plays. In jedem Fall präferiert er aber hohes Tempo, mit dem er Defenses unter ständigen Druck setzen will.

In beinahe jedem Spiel entdeckt man eine neue Idee oder eine neue Variante zu einem bereits etablierten Play. Dadurch bleibt Rileys Offense konstant undurchschaubar und überraschend. Insbesondere seine Quarterbacks profitieren stark von seinen schematischen Finessen, die ihnen regelmäßig offene Receiver oder offene Laufwege bieten. Dabei kann sich Riley auf unterschiedlichste Quarterback-Typen einstellen: Seine Offense funktionierte exzellent mit Baker Mayfield, Kyler Murray und Jalen Hurts. Mayfield und Murray gewannen die Heisman-Trophy, Hurts wurde zweiter. Besser geht es (fast) nicht.

In der vergangenen Saison baute Riley seine Offense entsprechend den Stärken von Hurts um und setzte stärker auf eine variable Zone Read Option Offense mit Fokus auf Quarterback-Läufen und weniger vertikalen Elementen als noch bei Mayfield und Murray. Erneut gab es abgefahrene Play Designs zu bestaunen: etwa die Zone Read Runs mit zusätzlichen Pass Options sowie – zusätzlich zu den aktuell so beliebten RPOs – so genannte Pass-Run-Options (also PROs). Schaut euch als Beispiel mal diesen genialen Spielzug an:

Abgänge und Ausfälle

Auch mit Jalen Hurts schnitt die Sooners Offense als eine der besten des Landes ab: Rang 3 nach SP+, Rang 6 nach erzielten Punkten pro Spiel (42.1). Hurts bekam den überraschenden, aber dennoch verdienten Lohn in Form einer 2nd round-Wahl von den Philadelphia Eagles. Zuvor wurde Star-Receiver CeeDee Lamb gedraftet: Als 1st round Pick der Dallas Cowboys landete er ebenfalls in der NFC East. Ansonsten blieb die Offense zunächst von ein paar Backups abgesehen weitgehend zusammen, musste allerdings im Verlauf der Offseason zwei weitere Abgänge verkraften: Der eine RB Trey Sermon transferierte zu Ohio State, der andere RB Kennedy Brooks entschied sich für einen Corona-bedingten Opt Out.

Dennoch muss Riley die Offense nun erneut stärker umbauen, da sein neuer Quarterback ein ganz anderes Skillset mitbringt als Hurts.

QB Spencer Rattler

Nach drei Saisons mit Senior-Quarterbacks hat Riley nun endlich mal einen jungen Mann am Ruder. Spencer Rattler ist ein gehypter 5-star Recruit, der 2019 als Backup schon etwas Erfahrung sammeln konnte. Rattler bringt nicht die Athletik eines Murray oder Hurts mit, und auch von der Statur wirkt er nicht besonders beeindruckend. Sein Talent als purer Passer ist dagegen enorm hoch, wie er bereits im ersten Saisonspiel andeutete. Zwar war der FCS-Gegner Missouri State kein Maßstab, aber Poise, Wurftechnik, Decision Making und Accuracy (auch tief) lassen einiges erhoffen.

Zudem hat er sich in Sachen Armstärke gegenüber den Highschool-Tapes, die ich vor zwei Jahren sah, noch einmal klar verbessert. Ich vermute, dass Oklahoma mit ihm verstärkt auf eine RPO-Offense, viel Playaction und einigen vertikalen Routenkombinationen mehr als noch 2019 agieren wird.

Offensive Line

Die O-Line kehrt komplett zurück und kann als klare Stärke der Offense von Oklahoma betrachtet werden. C Creed Humphrey ist ein Megatalent und dürfte zu den besten interior OL-Prospects für die kommende Draft gelten. Intelligenter, extrem disziplinierter Center, der sowohl mit Technik, Athletik als auch mit Kraft seine Duelle gewinnen kann. Ziemliches Komplettpaket, das laut Statistiken in den letzten beiden Saisons keinen Sack abgab. Die gesamte interior Line ist erstaunlich Power-lastig für eine Air Raid-Version, insbesondere OG Marquis Hayes. Eine Überraschung gibt es außen, wo sich true Freshman Anton Harrison den Left Tackle-Spot gekrallt hat. Das passiert in guten O-Lines eher selten.

Skillplayer

CeeDee Lamb ist weg, dennoch haben Riley und Rattler ein sehr talentiertes Receiving Corps zur Verfügung. Erfahrung mit dem letztjährigen Starter Charleston Rambo, einem dünnen, recht explosiven Receiver mit einigen Downfield-Qualitäten und guten Ball Skills, und dem UCLA-Transfer Theo Howard. Junge Talente aus dem 2019er Recruiting-Jahrgang wie der große Theo Wease sowie Jadon Haselwood und Trejan Bridges. Haselwood fällt bis auf Weiteres mit einer Knieverletzung aus, Bridges ist – wie einige andere wichtige Spieler – wegen eines positiven Drogentests für die ersten Spiele suspendiert. Dafür machte dann gleich der kleine speedy true Freshman Marvin Mims auf sich aufmerksam und könnte gerade vertikal eine wichtige Waffe werden. Der talentierte junge TE Austin Stogner ist ebenfalls zu beachten.

Riley wird im Passspiel also die Qual der Wahl haben, wenn alle an Board sind. Er ist aber eh dafür bekannt, den Ball je nach Matchup und Scheme zu verteilen, anstatt sich auf eine Option zu versteifen. Die Depth Chart könnte sich im Lauf der Saison noch verändern, die Qualität ist jedoch absolut unstrittig.

Auf der Position des Running Backs ist etwas weniger Tiefe vorhanden. Die erste Wahl wäre wohl der bullige Rhamondre Stevenson, doch ist er ebenfalls suspendiert. T.J. Pledger könnte übernehmen, fehlte aber zu Saisonbeginn wegen eines positiven Coronatests. Alles kein Problem: Der gleichermaßen physische wie explosive true Freshman RB Seth McGowan zeigte sich keineswegs überfordert. Dank Rileys Schemes und der exzellenten O-Line mache mir ums Laufspiel keine größeren Sorgen.

Diese Offense wird erneut für Spektakel sorgen und massig Punkte auflegen. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn Rattler sich gleich im erweiterten Heisman-Rennen wiederfindet. Doch ist die Offense eben nur einer der beiden wichtigen Mannschaftsteilen. Kein Team musste das in den vergangenen Jahren schmerzlicher erfahren als die Sooners.

Oklahoma Defense

54, 45, 63: Dies sind die Punktzahlen, die die Gegner der Sooners in den vergangenen drei Playoff-Halbfinals erzielen konnten. Die Problemzone ist seit längerem bekannt, geändert hat sich zumindest auf dem Papier nicht allzuviel.

Doch ist das Papier zumindest etwas irreführend. Vergangene Saison brachte der neue DC Alex Grinch (zuvor in gleicher Funktion bei Washington State und Ohio State) frische Impulse. Oklahoma spielte nicht mehr nur die Big 12-übliche softe Cover-4, die darauf ausgelegt ist, bloß keine Big Plays zu kassieren – was dann dennoch oft genug geschah. Grinchs Defense agierte in der Secondary variabler und wechselte ab und an in Man-Coverage oder Press Zone-Konzepte. Dies machte sich durchaus bezahlt: Die Passverteidigung verbesserte sich deutlich, und auch die gesamte Defense machte nach SP+ immerhin einen Sprung von Rang 84 auf Rang 48.

Die 63 kassierten Punkte im Halbfinale gegen LSU sollte man dabei übrigens nicht zu hoch hängen. Zum einen sprechen wir hier von einer all-time Offense um Joe Burrow und Co. Zum anderen fehlten den Sooners gerade in der Defense einige Schlüsselspieler.

Eine aggressive Philosophie

Die defensive Front ist differenzierter zu betrachten. Grinch lässt hier mit viel Risiko spielen, was sich insbesondere in der Laufverteidigung bemerkbar macht. Plays im Backfield wechseln sich mit längeren abgegebenen Läufen ab. Er bevorzugt eine 3-3-5 Defense mit größtmöglicher Athletik – was ein wenig auf Kosten der Kraft geht. Die 3er Front ist in einem One-Gap-System auf Attacke ausgelegt. Dies bedeutet aber auch, dass die Line tendenziell undersized ist und im direkten Duell mit der Power der gegnerischen O-Line oft nicht ganz mithalten kann. Generell arbeitet Grinch gerne mit spätem Shuffling der D-Line direkt vor dem Snap sowie diversen Slants und Stunts, um die Verantwortlichkeiten der O-Line im Blocking durcheinanderzubringen.

Dahinter stellt er in der Regel keine zwei ‘gleichberechtigten’ Outside Linebacker, sondern einen designierten “Rush Backer”, der Hybrid-Aufgaben übernimmt und gelegentlich mit an die Line rückt. Die restlichen Linebacker und Nickel-Defender müssen athletisch genug sein, um sehr viel Raum abzudecken. Das ist in der offensivlastigen Big 12 kein leichtes Unterfangen.

Insgesamt zeigte die Sooners Defense für ihre Verhältnisse ziemlich gute Ansätze. Im zweiten Jahr unter Grinch sollte die Familiarität mit seinem Scheme noch einmal zunehmen.

Abgänge und Ausfälle

In der Verteidigung ist weniger die Quantität als die Qualität der Abgänge entscheidend. Allen voran LB Kenneth Murray (1st round Chargers), das Herz der Defense und für Grinchs System wohl der ideale Linebacker-Typ hinter der D-Line. Auch der aktive DT Neville Gallimore (3rd round Cowboys) und der 2019 stark verbesserte CB Parnell Motley (UDFA Buccaneers) reißen Lücken.

Hinzu kommt nun noch der Opt Out von DL Jalen Redmond, der mich in der vergangenen Saison als redshirt Freshman ziemlich überzeugt hatte. Zuvor wurde er eh schon mit illegalen Substanzen im Blut beim Autofahren erwischt. Der größte Pechvogel ist erneut LB Caleb Kelly, der sich in der zweiten Offseason in Folge das Kreuzband riss.

Schlüsselspieler Defense

Nach Redmonds Ausfall wird es in der D-Line nun noch mehr auf DE Ronnie Perkins ankommen. Perkins ist ein kraftvoller End, der sich mit seinen Armen gut von Blockern lösen kann und keine Schwäche gegen den Lauf ist. Er kann aber auch mit passablem Speed und Bend über außen attackieren. Die D-Line ist insbesondere für eine 3er Front erneut undersized, hier wird also neben Attacke vermehrt Gap-Disziplin gefragt sein. Im Pass Rush könnte Rush Backer Nik Bonitto eine prominentere Rolle spielen. Er bewies im Laufe der letzten Saison immer mal wieder die Nase fürs Big Play.

Bei den Linebackern wird es unmöglich sein, Kenneth Murray eins zu eins zu ersetzen. Seine Position wird voraussichtlich vor allem DaShaun White übernehmen, der von außen in die Mitte rückt. White ist ein hervorragender Athlet und hat gegenüber Murray eventuell sogar leichte Vorteile in der Coverage. Allerdings bringt er bislang bei weitem nicht seine Physis und sein hartes und meist sicheres Tackling mit. Sein Skillset ist dennoch interessant genug, um mal ein Auge auf ihn zu werfen. Einiges wird auch von OLB Brian Asamoah erwartet, dessen Spiel etwas mehr auf Power und Downhill-Mentalität beruht. Ergeben die beiden gemeinsam einen Murray – oder gar noch mehr?

In der Secondary sind die Safeties als Stärke einzustufen. Delarrin Turner-Yell spielte eine starke Saison, sein Ausfall gegen Ende machte sich deutlich bemerkbar. Kein physisch imposanter Safety, aber stark und instinktiv in Coverage. Im Tackling verbesserte er sich im Verlauf der Saison deutlich. Turner-Yell und Safety-Kollege Pat Fields sind nicht auf eine Rolle in der Defense beschränkt und bieten so einige Flexibilität (Centerfielder, two-deep, Free und Strong, Nickel/Slot). Viel Verantwortung wird auf den Schultern von CB Tre Brown liegen, einem aggressiv – teils zu aggressiv – eingestellten Corner, der nun voraussichtlich den Top-Receiver des Gegners wird decken müssen.

Für die Big 12 sollte die Defense insgesamt okay aufgestellt sein. Ich erwarte mindestens eine Leistung wie 2019. Doch die entscheidende Frage stellt sich erst danach – wenn es denn so weit kommt.

Fazit

Oklahoma ist in dieser Saison erneut der klare Favorit auf den Gewinn der Big 12. Daran ändern auch ein vermeintlich unerfahrener Quarterback und ein paar mehr Ausfälle nicht. Im Gegenteil: Von Rattler ist einiges zu erwarten. Und solange Lincoln Riley der Verantwortliche ist, wird die Offense eh spektakulär bleiben. Für die Big 12 sollte allein das reichen. Was darüber hinaus gegen Teams wie Clemson möglich wäre, müssen wir abwarten. Viel hängt davon ab, ob sich die Defense zumindest ins obere Mittelmaß verbessern kann.

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