Unsere Takes der letzten Woche zur NFL sind nicht allzu gut gealtert. Aaron Rodgers hat Fabian ein großes Ei ins Nest gelegt und bei den Texans konnte man nur halbwegs von einigen Punkten sprechen – bloß 21 an der Zahl. Dafür haben sich die Patriots ziemlich deutlich gegen die Raiders durchgesetzt.
Thomas verbucht einen klaren “Loss” (Kyler Murray lief für nur 29 Yards, keine 100), und zwei knappe: Dak Prescotts letzter Drive endete kurz vor dem Touchdown, womit Dallas unterhalb von 35 Punkten blieb, und obwohl Josh Allen wirklich wie erwartet etwas “normalere” Zahlen als in Woche 1 und 2 auflegte, so kann man nach seiner insgesamt fantastischen Performance nicht wirklich von der angekündigten “Erdung” sprechen.
Shootout in South Beach
Sommer: Seattle Seahawks @ Miami Dolphins (Sonntag, 19 Uhr)
Punkte, Punkte, Punkte. Das erwarte ich, wenn sich die Seahawks und Dolphins morgen in Miami gegenüber stehen. Die Seahawks-Offense ist absolut on fire. Brian Schottenheimer callt auf frühen Downs in neutralen Spielsituationen nach den Chiefs die zweitmeisten Pässe. “Let Russ Cook” findet unmittelbar vor unseren Augen statt. Nun trifft Seattle auf eine Defense, die statistisch nach drei NFL-Wochen auf dem letzten Platz steht und ohne ihren besten Cornerback – Byron Jones – auskommen muss. Außer CB2 Xavien Howard tummelt sich in der Secondary von HC Brian Flores niemand, der die beiden Wide Receiver Tyler Lockett und DK Metcalf auch nur ansatzweise decken kann. Mit mindestens 30 Punkten seitens der Seahawks ist hier sicherlich zu rechnen.

Der Shootout-Charakter kommt aber von der Offense der Delfine, denn diese fliegt etwas unter dem Radar. Bei Pässen auf 1st oder 2nd Down in “neutralen” Spielsituationen stehen die Dolphins auf Rank 2 im Passing Game – gemessen an EPA/play (0.43). Ryan Fitzpatrick und Co. bewegen den Ball auf frühen Downs ziemlich gut. Fitzpatrick steht auf diesen Downs auch auf Rank 3 in CPOE (+11.4%) nach Russell Wilson und Philip Rivers. Der Casus Knacksus der Dolphins war bisher auf dem dritten Down, denn dort sind sie nach EPA/play auf dem vorletzten Platz mit -0.34 EPA pro Pass. Das Play auf 3rd down ist aber tendenziell volatiler, weil viel weniger Plays aber große Hebelwirkung. Bei diesen Zahlen würden wir erwarten, dass die Dolphins auf 3rd Down bald etwas besser dastehen.
Die Defense der Seahawks spielt bislang unter den Erwartungen. Jetzt fehlen aller Voraussicht nach auch noch CB Quinton Dunbar und SS Jamal Adams aus. Seattle hat den schlechtesten Pass Rush der NFL und hat kaum Spieler, die DeVante Parker, Preston Williams und Mike Gesicki covern können. Ryan Fitzpatrick sollte genauso wie Russell Wilson einen Field Day haben. Ein Ergebnis á la 33-27 würde mich nicht überraschen.
Ravens Revenge Tour
Sommer: Baltimore Ravens @ Washington Football Team (Sonntag, 19 Uhr)
Die Ravens wurden am Montagabend von den Chiefs vor der ganzen Welt vorgeführt. Das muss das Washington Football Team jetzt ausbaden. Die Ravens werden sich rehabilitieren und im 45 Kilometer entfernten FedEx Field eine Show bieten. Es ist für jede NFL-Defense schwer, diese Offense um Lamar Jackson zu verteidigen. Aber Washington fehlen oben drein DE Chase Young und DT Matt Ioannidis, zwei Säulen dieser furiosen Defensive Line. Lamar Jackson wird alles Mögliche veranstalten können und John Harbaugh wird nach fragwürdigen Entscheidungen gegen die Chiefs auch wieder aggressiver zu Werke gehen.
Die Washington-Offense ist bis dato offensichtlich grausam anzuschauen. Dwayne Haskins hat bisher noch keinen Entwicklungsschritt gezeigt. Außer Terry McLaurin gibt es keinen Wide Receiver, auf den man sich verlassen kann. Dazu wird die ohnehin nicht gute Offensive Line derzeit mit Verletzungen ausgedünnt. Ravens DC Don Martindale blitzt knapp 50% aller Plays, mehr als 70% auf Third Downs. Nur steht ihm diesmal nicht Patrick Mahomes gegenüber, sondern Dwayne Haskins. Dieser sollte dadurch eher überwältigt werden. Die Rückendeckung von HC Ron Rivera klang zuletzt auch nicht sonderlich selbstbewusst. Es würde mich nicht wundern, wenn die Ravens früh hoch führen, Haskins Fehler macht und dann sogar gebencht wird. Ravens roll.
Sink, Eagles, Sink!
Sommer: Philadelphia Eagles @ San Francisco 49ers (Montag, 2.20 Uhr)
Philly, we have a problem! Carson Wentz hat momentan eine richtig üble Phase und die Stammspieler um ihn herum fallen um, wie die Fliegen. Am Donnerstag konnte genau ein einziger Wide Receiver, Greg Ward, am Training teilnehmen. Jalen Reagor ist auf IR, Alshon Jeffery ist noch nicht wieder einsatzbereit, DeSean Jackson hat eine Zerrung. Tight End Dallas Goedert fällt ebenfalls länger aus. JJ Arcega-Whiteside (Wade) und John Hightower (Erkältung) konnten ebenfalls nicht trainieren. Zu wem Carson Wentz außer Zach Ertz am Sonntag den Ball wirft, steht in den Sternen. Da spielt es auch kaum eine Rolle, dass die 49ers-Defense personell angeschlagen ist.
Kyle Shanahan verdient zurzeit den Titel NFL Coach of the Year. Es waren zwar nur die Jets und die Giants, aber beide Gegner wurden trotz sehr vieler Verletzungen und Ausfall von Jimmy Garoppolo gnadenlos weggefegt. Deebo Samuel war auf IR, Kittle fiel zweieinhalb Spiele aus. Trotzdem stehen die Niners mit 0.33 EPA/play auf Rank 6 – fast schon surreal. Ob Jimmy G am Sonntag spielt, steht noch in den Sternen. Dafür kommt Superstar Tight End George Kittle zurück und Kyle Shanahan trifft auf eine sehr bescheidene Eagles-Defense. Philly hat mit Nathan Gerry, Duke Riley und T.J. Edwards vermutlich das schlechteste Linebacking Corps der NFL und Shanahan wird diese Gruppe im Run und Passing Game gnadenlos attackieren. Die Vorzeichen rufen Erinnerungen an die Matchups der 49ers gegen die Packers aus der letzten Saison hervor. Ich rechne mit einem Blowout-Sieg.
Colt zähmt Bear
Psaier: Chicago Bears – Indianapolis Colts (Sonntag, 19 Uhr)
Die Chicago Bears sind nach drei Spielen 3-0 und spüren jetzt nach dem Quarterback-Wechsel auf Nick Foles auch endlich sowas wie Befreiung. Aber jetzt droht Ironie des Schicksals und just im ersten Spiel mit Foles als Starter die erste Niederlage der Saison.
Machen wir uns nichts vor: Die Bears sind ein mehr als glückliches 3-0 Team – und eines der schwächsten 3-0 Teams ever. Natürlich ist das Upgrade von Mitchell Trubisky auf Foles ein gigantisches, aber alle bisherigen Siege waren hauteng. Die Detroit Lions droppten in letzter Sekunde den Sieg weg, die Giants standen in letzter Sekunde kurz vor der Endzone, und die Falcons stürzten ab wie es nur Falcons können.
Die Colts sind der erste Gegner „von Format“. Sie sind „nur“ 2-1 nach Siegen und nach ihrer überraschenden Auftaktpleite in Jacksonville ein wenig vom Radar verschwunden. Doch danach wurden Vikings und Jets überfahren, wie man es in der NFL gar nicht so oft sieht.
So viel besser die Bears mit einem Foles auf Quarterback auch sein mögen: Indianapolis hat die Kombination aus starker Defensive Line & abwartender Zone-Coverage sowie aus eigener starker Offensive Line um den Bears-Passrush mit einem limitierten Khalil Mack zu kontern.
Philip Rivers spielt bis jetzt eine sehr gute, wenn auch noch nicht herausragende Saison. Dass ihm langsam verletzungsbedingt die Waffen ausgehen ist geschenkt, weil Rivers mit dem guter Protection (nur 18 QB-Pressures) genug Zeit bekommt um sich seine Optionen herauszupicken. Das reicht allemal zu drei Touchdown und zwei Field-Goal Drives und kompensiert die eine oder andere nach wie vor patentierte Rivers-Fehlentscheidung.
Die Bears haben dank 3-0 ein Polster geschaffen um mit Foles noch länger im Wildcard-Rennen zu bleiben. Für ein 4-0 müsste aber schon eine Foles-Performance aus der oberen Schublade her. Die kann man aber nicht jede Woche erwarten. Wahrscheinlich ist eine aggressivere Bears-Offense, die dann aber den einen oder anderen Fehler zu viel begeht.
Watson > Zimmer
Psaier: Houston Texans – Minnesota Vikings (Sonntag, 19 Uhr)
In Houston treffen zwei sieglose Teams aufeinander: Texans (0-3) vs. Vikings (0-3). Trotzdem verspricht das ein durchaus ansehnliches Spiel zu werden, denn beide Mannschaften fühlen sich mit ihrem Record deutlich unter Wert geschlagen an.
Die Texans haben drei Spiele gegen die NFL-Elite hinter sich: Chiefs, Ravens und Steelers. Alle drei Partien gingen verloren, und nur gegen Pittsburgh war es knapp. Die Vikings wurden von den Packers zerlegt, waren gegen die Colts anämisch und kollabierten gegen die Titans, schöpften aber Hoffnung durch den schnellen Durchbruch von WR Justin Jefferson. Und sie haben eine der effizientesten Early-Down Offenses in der NFL, obwohl sie mit am meisten laufen.
So fühlt sich Houston trotz allem wie der recht klare Favorit an. Deshaun Watson litt in den ersten drei Wochen unter extrem hohen QB-Pressure Zahlen, doch gegen die bisherigen Defenses ist das keine Schande. Es ist kaum zu erwarten, dass die Vikings ohne EDGE Danielle Hunter ebenso um die 40% Pressure-Rate auflegen können, denn Minnesota hat auch nicht die Cornerbacks um alle vier der bislang noch nicht ganz überzeugenden Texans-Receiver aufzuhalten.
Wenn Watson nicht erneut ewig den Ball hält, sondern mindestens 50% seiner Pässe in weniger als 2.5 Sekunden rausbringt, sehe ich kein Land für die Vikings-Defense. In diesem Fall wird Minnesota zerlegt. Und dann wird die Pressekonferenz mit dem schon seit Tagen äußert bissigen Mike Zimmer im Anschluss unterhaltsam. Jede Wette.
Belichicks Kryptonit
Psaier: Kansas City Chiefs – New England Patriots (Sonntag, 22.25 Uhr)
Chiefs gegen Patriots ist in den letzten fünf Jahren zu einer der führenden sportlichen Rivalitäten geworden. Seit Patrick Mahomes als Chiefs-Starting-QB übernommen hat, wurde die nächste Stufe gezündet. Die Duelle mit ihm waren alle hauteng:
- 2018 gewann New England knapp 43-40 in der Regular Season
- In den Playoffs brauchte es schon ein Offside von Dee Ford und Overtime für einen erneuten Sieg (37-31)
- 2019 gewann erstmals Mahomes: 23-16, aber es war Mahomes‘ bislang schwächste Performance
Spätestens seitdem die Ravens letzte Woche brutal von Mahomes zerlegt wurden, entbrannte mal wieder eine Diskussion über den besten Weg um den besten Quarterback unserer Zeit zu stoppen. Die beste Antwort war bis jetzt zwar meistens „score einfach genug eigene Punkte, denn du kannst ihn nicht stoppen“, doch gerade Belichick hat in den bisherigen drei Spielen mit verschiedenen Methoden zumindest gute Teilergebnisse erzielt.
Als er 2018 zuerst Travis Kelce doppelte, scorten die Chiefs zwar noch immer 40 Punkte, aber nur 9 in der ersten Halbzeit. In den Playoffs blitzte er Mahomes aus der Comfort-Zone und erzwang eine (wenn auch durch Mahomes‘ unforced errors mitverschuldete) punktelose erste Chiefs-Halbzeit – nicht ohne aber erneut 31 Punkte in der zweiten Hälfte zu kassieren.
Belichicks beste Vorstellung gegen Mahomes kam just in der einzigen Niederlage 2019. Es gab damals kaum Blitzes, dafür viele 1-vs-1 Duelle der starken Pats-Cornerbacks gegen Kelce und Tyreek Hill, und recht viel an eher konservativer Cover-2 Defense.
Belichick wird diesmal bestimmt erneut am Gameplan schrauben. So konservativ zu „sitzen“ und einfach darauf zu vertrauen, dass seine wirklich starken Defensive Backs lange genug gegen Mahomes halten, wäre zu simpel. Ich erwarte mehr Aktivität darin, Mahomes zumindest den ersten Read wegzunehmen. Und das könnte eine zeitlang fruchten. Doch befürchtungsweise nicht lange genug – denn die Chiefs haben diesmal nicht mehr „nur“ Kelce und Hill, sondern auch den jungen Mecole Hardman als Breakout-Star und #3.
Die Chiefs sind mit 7 Punkten favorisiert. Gegen ein Belichick-Team ist das fast unerhört – und doch erwarte ich einen Chiefs-Cover. Zu viele Waffen hat Mahomes, zu schwach ist die individuelle Klasse der Patriots-Passrusher um Mahomes wirklich zu schnellerem Spiel zu zwingen. Es werden erneut mindestens 30 Punkte für die Chiefs – und die Pats haben bei aller spannenden Cam-Newton-Offense nicht genug Waffen um die gut zugedeckte Spielfeldmitte der Chiefs mit Outside-Passing zu kaschieren. Es wird ein schematisch interessantes, aber kein wirklich knappes Spiel.