Psaier & Sommer: Sunday Watch NFL Week 5

Eine Vorschau auf den fünften NFL-Spieltag 2020 mit den Takes von Fabian Sommer und Thomas Psaier zu ausgewählten Spielen.

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Lesezeit: 7 Minuten

Thomas und Fabian haben diese Woche ordentliche Ergebnisse im Schlepptau aus NFL Woche 4. Einzig die Eagles sind trotz Fabians Analyse nicht gesunken, sondern wegen eines katastrophal aufspielenden Nick Mullens eher hoch geflogen. Thomas konnte sich nicht auf Deshaun Watson verlassen, der Sieg ging dann doch an Mike Zimmer…

Shootout in der Bay Area

Sommer: Miami Dolphins @ San Francisco 49ers (Sonntag, 22.05 Uhr)

Gleiches Spiel mit den Dolphins, wie in der letzten Woche. Die Offense fliegt unter dem NFL-Radar und rangiert seit dem Pats-Spiel in Woche auf Rank 13 in EPA/Play und 3 in Success Rate. Die 49ers-Defense aus dem Super Bowl hat seitdem mit DE Nick Bosa, DE Dee Ford, DT DeForest Buckner, CB Richard Sherman und CB K’Waun Williams verloren. CB Emmanuel Moseley ist mit einer Gehirnerschütterung fragwürdig. Das sind sechs Stammspieler aus dem Super Bowl. Auch wenn CB Jason Verrett und DT Javon Kinlaw ganz passabel aussehen, ist das ein großer Einschlag. Dieser wurde aber bisher nicht deutlich, denn die Gegner lauteten Cardinals, Jets, Giants und Eagles. Miamis Offense ist besser als alle vier. Und Ryan Fitzpatrick wirft gegen Backup-Cornerbacks.

Vergesst alle Effizienz-Metriken der 49ers. Dies ist das erste Spiel diese Saison, in dem die Offense nahezu komplett ist. In Woche eins war WR Deebo Samuel noch auf IR und George Kittle hat sich während des Spiels verletzt. Diesmal hat Kyle Shanahan alle wichtigen Männer an Bord – auf dem Papier mindestens eine Top-10 Offense. Diese trifft auf die womöglich schlechteste Defense bisher. Die Dolphins kriegen kaum einen Pass Rush zustande und können niemanden covern. Die Defense steht im Coverage Grade abgeschlagen auf dem letzten Platz. Die Linebacker Jerome Baker und Kyle Van Noy werden kaum eine Chance haben, Jerick McKinnon, Raheem Mostert (eventuell) und Brandon Aiyuk aus dem Backfield zu covern. Die Partie könnte ein Shootout werden. Es riecht nach 31-21 mit jeder Menge Upside.

Die Browns sind for real

Sommer: Indianapolis Colts @ Cleveland Browns (Sonntag, 22.25 Uhr)

Cleveland hat zuletzt viele Ressourcen für die Offensive Line investiert und der Return ist bisher beträchtlich. Die glasklare Nummer eins im Run Blocking Grade und die Nummer zwei im Pass Blocking Grade von Pro Football Focus. RG Wyatt Teller ist bislang der beste Guard der NFL. Das Run Game funktioniert exzellent und die Passing-Offense steht seit Woche 2 auf Rank 3 in EPA/Dropback. Die Defense der Colts wird momentan ohne Ende gehyped, aber hier ist sehr viel Schall und Rauch. Noch in Week 1 hat Gardner Minshew diese Defense nach Strich und Faden zerlegt. Seitdem ging es gegen Kirk Cousins hinter einer fragwürdigen Offensive Line, gegen Sam Darnold und gegen Nick Foles. Ohne LB Darius Leonard werden die Colts mit ihrer Cover-2-Defense arge Probleme haben, das Run Game der Browns zu stoppen. Individuell ist die Secondary auch nicht gut genug aufgestellt, um viele Antworten gegen die Play-Action Shots zu Jarvis Landry und Odell Beckham zu finden.

Die Colts sind ein gutes NFL-Team und werden in die Playoffs einziehen. Aber die Offensive Line spielt bislang nicht so dominant wie erwartet und tritt womöglich ohne LT Anthony Castonzo an. Das Run Game ist bisher minder effizient und auf der WR-Position fehlt es nach den Verletzungen von Michael Pittman und Parris Campbell an Tiefe. Myles Garrett sollte gegen LT La’Raven Clark oder RT Braden Smith einen Field Day haben und CB Denzel Ward sollte TY Hilton in Schach halten. Philip Rivers muss dann versuchen, über RBs und TEs die Chains zu bewegen. Kein leichtes Unterfangen. Ich gehe hier mit den Browns, die sich eventuell deutlicher durchsetzen werden als manch einer glauben mag.

Upset Alert in Arlington

Sommer: New York Giants @ Dallas Cowboys (Sonntag, 22.25 Uhr)

Es ist immer sehr bold auf Upsets zu tippen. Aber wenn ich mich für einen großen Upset entscheiden müsste, dann wäre es einer der Giants. New York ist auf dem Papier großer Underdog, sollten sich gegen dieses dezimierte Cowboys-Team aber Chancen ausrechnen. QB Daniel Jones hat immer große Probleme gegen Druck und bisher hat er vermutlich das schwierigste NFL-Schedule gespielt, wenn es um den gegnerischen Pass Rush geht. Die bisherigen Gegner rangieren auf den Plätzen 2, 3, 8 und 9 im Pass Rushing Grade von Pro Football Focus. Die Cowboys kriegen außer Aldon Smith bislang überhaupt nichts zustande und liegen auf Rank 25. Das Passing Grade von Daniel Jones liegt bislang im Ligadurchschnitt, aber der Output der Offense – gemessen an Efficiency-Zahlen – ist im unteren Bereich der NFL einzuordnen. Das passt nicht so gut zusammen, der Output könnte bald ansteigen. Ein guter Start wäre die ziemlich schwache Cowboys-Defense.

Die Giants-Defense steht auf Platz 26 in Pass DVOA, 27 in EPA/Dropback und 19 im Coverage Grade. Eigentlich leichtes Spiel für die Cowboys und hier sind definitiv auch Punkte zu erwarten. Aber RT La’el Collins ist für die gesamte Saison raus und LT Tyron Smith wird dieses Jahr aller Voraussicht nach auch nicht mehr spielen. Starting Center Joe Looney – auf IR. Damit fehlen Dak Prescott drei wichtige Starter und wenn die Giants gegen die Undrafted Free Agents auf Tackle irgendwie Druck ausüben können, dann schnuppern sie hier am Upset der Woche.

Lehrstunde für den Rookie

Psaier: Baltimore Ravens – Cincinnati Bengals (So 19:00 Uhr)

Joe Burrow gilt nach vier Wochen schon als „angekommen“ in der NFL. Der Rookie-Quarterback der Bengals ist statistisch zwar noch nicht unter den Top-Quarterbacks der Liga zu finden:

  • #26 nach EPA/Play
  • #28 nach Net-Yards/Passversuch
  • #15 nach CPOE (Completion Percentage over Expectation)

Doch gemessen an dem Umständen (ein Sieb von Offensive Line, fünfmeiste Pressures und #25 nach Pass-Block-Win-Rate) und der extremen Workload (schon 202 Dropbacks für Burrow) war Burrows Einstand mehr als gelungen. PFF reiht Burrow als einen Top-10 Quarterback in seiner Grading-Liste. Burrow macht nicht viele Big-Plays, beging aber auch noch fast keine Fehler abseits des einen oder anderen zu schnellen Sacks. Besonders beeindruckend ist Burrows “innere Uhr”:

Aber mit der Ravens-Defense kommt die bis jetzt größte Prüfung. Nicht nur gehört sie mit fast 47% Blitz-Rate zu den aggressivsten Quarterback-Jägern in der NFL. Mit 46% Pass-Rush-Win-Rate gehört sie auch zu den erfolgreichsten (wenn es nicht gerade gegen Pat Mahomes geht).

Auch in der Pass-Deckung verfügt Baltimore noch immer über einen Vorteil: Auch wenn der etatmäßige Slot-Corner Tavon Young schon out for season ist, so war Marlon Humphrey doch gut genug um den Ausfall einigermaßen zu kompensieren. Humphrey ist gegen den bislang besten Bengals-WR Tyler Boyd mindestens Augenhöhe. Was es für die beiden Outside-Receiver in Cincinnati, Rookie Tee Higgins und A.J. Green, nicht einfacher macht.

Prinzipiell müssen die Bengals schnell in Führung gehen, denn liegt man erstmal einen oder zwei Scores hinten, haben sie gegen diese vielfältige Pass-Defense keine Chance mehr. Zu einfach kann Burrow dann „ausgeblitzt“ werden. Ich erwarte eine kleine Lehrstunde für Cincinnatis Offense.

Befreit!

Psaier: Houston Texans – Jacksonville Jaguars (Sonntag 19:00 Uhr)

Der Kellerduell aus der AFC South steht ganz im Zeichen der überraschenden Trainerentlassung bei den Texans: Bill O’Brien wurde bekanntlich unter der Woche gefeuert. Obwohl die Texans mit 0-4 Siegen gestartet sind, kann man O’Briens Rauswurf nicht allein sportlich erklären, denn dafür haben die Texans gegen zu gute Gegner verloren: Auswärts bei Kansas City, gegen Baltimore und in Pittsburgh.

Unter der Woche kamen immer mehr Gerüchte raus, dass O’Brien in der Mannschaft schlicht den Rückhalt verloren habe, und dass letztlich Superstar J.J. Watt den Königsmörder geben musste. Jetzt könnten wir eine derjenigen Situationen erleben, in der eine Mannschaft nach dem Abgang eines verhassten Coaches plötzlich „befreit“ aufspielen wird.

Ob sich in der Herangehensweise der Offense viel verändern wird, muss man erst abwarten, denn Offensive Coordinator Tim Kelly bleibt wie schon in den ersten vier Wochen der Play-Caller. Doch befreit von der Umklammerung eines ungeliebten Chefs erwarte ich, dass die Texans-Offense dennoch groß aufspielt:

  1. QB Deshaun Watson wird gegen den lauwarmen Jaguars-Passrush so viel Zeit wie noch nie in dieser Saison bekommen. Ein weiteres Sack- und Pressure-Festival ist eher ausgeschlossen.
  2. Die bis jetzt eher enttäuschende Offensive Line der Texans (#26 nach Pass-Block-Win-Rate) sollte den eindimensionalen Passrush der Jaguars (Josh Allen hat 13 QB-Pressures, der nächstbeste Verteidiger hat 5) auch mit einem angeschlagenen OT Laremy Tunsil kontrollieren können.
  3. Das Receiver-Quartett der Texans dürfte dem dezimierten Defensive Back der Jaguars überlegen sein – gerade, wenn CB C.J. Henderson ausfällt.

Das Talent ist zweifellos noch da in Houston. Ich erwarte, dass die Offense deutlich mehr als die 0.01 EPA/Play der ersten vier Wochen auflegt, und dass sie an die 30 Punkte gegen Jacksonville scort. Die Jaguars haben ihrerseits die Waffen um eine zeitlang mitzugehen. Aber nicht für 60 Minuten.

Seahawks gegen ihre Nachfolger

Psaier: Seattle Seahawks – Minnesota Vikings (Sonntag/Montag 02:20 Uhr)

Man kann Argumente dafür aufbringen, dass die Minnesota Vikings nach vier Wochen NFL mit ihrer 1-3 Bilanz unterschätzt sind. Nicht nur war die knappe Pleite gegen Tennessee einfach auch großes Pech; vielmehr deutete die Offense immer wieder gutes Potenzial an – ohne es aber wirklich durchzuziehen.

Ein Beispiel gefällig? Siehe hier die Effizienz in Lauf und Pass in Early-Downs:

Minnesota hat dank tiefen Würfen aus Play-Action nicht bloß die effizienteste Passing-Offense in Early-Downs, sondern auch eine der höchsten Verwertungsquoten in 1st und 2nd Down: Nur der heutige Gegner Seattle erzielt häufiger neue Angriffsserien bevor es ins 3rd Down geht als Minnesota.

Doch dann wiederum sind die Vikings das mit Abstand lauflastigste Team in 1st und 2nd Down. So schön sich RB Dalvin Cook optisch immer wieder durch die Defenses fräst, so ineffizient sind seine Läufe im Vergleich zum Passspiel von QB Kirk Cousins über seine beiden Star-Receivern Adam Thielen und Rookie Justin Jefferson.

Anders umschrieben: Minnesota könnte, will aber offensichtlich nicht. Damit sind die Vikings die Nachfolger der langjährigen „thou shalt not let them QB cooking“-Könige aus Seattle. Und riskieren, heute auswärts unter die Räder zu kommen, weil Offensive Coordinator Gary Kubiak zu lange wartet seine Offense gegen eine extrem dezimierte Seahawks-Secondary von der Leine zu lassen.

Seattle dagegen hat den Schritt zur Vollgas-Offense offensichtlich vollzogen – mit erwartbar herausragenden Ergebnissen für QB Russell Wilson. Gegen den harmlosen Pass-Rush der Vikings (nur Ngakoue und Odenigbo haben mehr als 5 Pressures) und die unerfahrene Secondary droht ein weiteres Touchdown-Festival.

Die Möglichkeiten, einen Shootout mitzugehen, wären für Minnesota da. Aber befürchtungsweise werden die Vikes erst nach zu großem Rückstand aufwachen.

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