In den ersten Wochen dieser NFL-Saison erschienen die Zahlen krass. Viele Punkte, gescheiterte Vorhersagemodelle, fallende Rekorde. Teils waren einfache Erklärungen gefunden, wie beispielsweise die fehlende Preseason oder die ausgefallenen Training Camps. Andere führten das weiter aus.
Während wir ins letzte Viertel der regulären Saison gehen, wird die Datenlage reliabler. Sind die Ausschläge in dieser Saison messbar? Gibt es einen Covid-bedingten singulären Ausschlag oder bestätigt sich nur die Tendenz der vergangenen Jahre?
Im Folgenden zeige ich ein paar Kennzahlen, die als Referenzpunkt Woche 12 haben.
Points per game
In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Anzahl der Punkte pro Spiel im Durchschnitt um fast zehn gesteigert. Im Vergleich zum letzten Jahr erzielten die Teams je Spiel über 4,5 Punkte mehr.

Zahlen rund um vierte Versuche
Eine naheliegende Erklärung für das Offensiv-Spektakel, das sich in dieser Saison abzeichnet, mag das aggressivere Play Calling in vierten Versuchen sein. Tatsächlich wurden seit Beginn der Datenerfassung (1999) niemals so viele Fourth Downs ausgespielt wie in der aktuellen Saison – absolut wie relativ. Allein im Vergleich zum Vorjahr nahm der Anteil um über drei Prozentpunkte zu. Zeitgleich nimmt die Anzahl vierter Versuche jedoch ab.


Befeuert wird die aggressivere Vorgehensweise der Coaches auch durch stetig geringere Distanzen bei dritten Versuchen.

Die Entwicklung geht dahin, dass es immer mehr sehr kurze Third Downs mit weniger als drei Yards zum Marker gibt.

Hinzu kommt die Regeländerung und -auslegung bezüglich Offensive Holding, die deutlich sichtbar ist.

Die Leistung der Defenses bezüglich EPA nehmen ebenfalls ab. Inwiefern das bedeutsam ist, muss man beobachten.

Erklärungsansätze? Let them cook!
Alle Kurven sind sich ähnlich. Eine mögliche Erklärung? Das Verhältnis von Lauf- zu Passspiel in neutralen Spielsituationen (erstes oder zweites Down mit Siegwahrscheinlichkeit zwischen 20 und 80 Prozent) verschiebt sich zusehends zu Gunsten der Pässe.

Zusammengefasst setzen sich die Entwicklungen der vergangenen Jahre in der Liga fort. Etwaige Ausreißer liegen in diesem Jahr fast alle im Konfidenzintervall, der sich aus den Zahlen der letzten Spielzeiten ergibt. Das heißt, dass die Auswirkungen von Covid-19 auf die Advanced Statistics und damit auch das Spiel möglicherweise geringer sind als der generelle Trend, den die Coaches und das Spiel eh schon eingeschlagen haben. In der Offseason kann man das mit mehr Gewissheit untersuchen.
Stand jetzt sehe ich kaum Evidenz, dass die Abwesenheit der Fans, weniger Vorbereitung und das generelle Chaos in und um die Liga die Zahlen mehr beeinflussen als der Zeitgeist. Schaut im Analytics-Bereich vorbei – wir werden das in der Nachbearbeitung der Saison ausführlich bearbeiten.
Interessanter Blick auf die Stats, der gerade im Hinblick auf die langfristige Entwicklung auch schon einigen Aufschluss gibt – trotz der Kürze.
Kleine aber feine Korrektur: Unter “Zahlen rund um vierte Versuche” schreibst du von einer Steigerung um 3 Prozent. Das wäre dann aber nur eine Steigerung von etwa 15,2 auf ca. 15,65. Die Grafik zeigt aber eine Steigerung von etwa 3 ProzentPUNKTEN. Das mag ein wenig nach Erbsen zählen klingen, ich finde aber, wenn ihr euch schon so tief in Statistiken begebt, dann sollten auch die Details korrekt sein.
Danke für Lob und Kritik. Tatsächlich ist es keine Erbsenzählerei, sondern einer meiner liebsten Fehler, den ich regelmäßig mache. Ist korrigiert.