Wenn die Regular Season in die heiße Phase geht, ist das immer ein Zeichen für den nahenden Jahreswechsel. Das Jahr 2020 war herausfordernd – auch für American Football und die National Football League. 2020 gab dem Football eine neue Richtung, denn er wandelte sich im Zuge von Black Lives Matter und Covid-19 vielleicht so tiefgreifend wie nie zuvor. Und 2020 stellte unsere Liebe für diesen Sport durch ein neues Playoff-Format, Pro-Offense-Regelwerk und eine die Krisen unserer Zeit nur zögerlich angehende NFL auf die Probe.
Blicken wir gemeinsam und weiterhin ohne Anspruch auf Vollständigkeit zurück auf Momente eines aus verschiedensten – positiven wie negativen – Gründen unvergesslichen Jahres. Teil 2 folgt nun an dieser Stelle. Teil 1 ist hier zu finden.
Juli
6. Juli: Während der Rest der USA immer mehr in der Corona-Krise und den landesweiten Protesten rund um Black Lives Matter versinkt, scheint es einen Mann zu geben, der 2020 ganz gehörig den Mittelfinger zeigen möchte. Erst holt er seinen ersten Ring und wird Super Bowl MVP. Dann nutzt er im Rahmen der BLM-Proteste seine Strahlkraft und zwingt die Liga, die immer unpolitisch sein will, zu einem Statement. Und jetzt unterschreibt er einen Rekord-Deal, wie es ihn in der Geschichte des Sports noch nie gegeben hat. 503 Millionen US-Dollar lassen sich die Kansas City Chiefs die Dienste ihres Star-Quarterbacks über die nächsten zehn Jahre kosten. Eine schier unvorstellbare Summe. Wir empfehlen euch den Thread von unserem Autor Florian, der diese gewaltige Menge Geld in vollkommen absurde Gegenwerte umgerechnet hat:
13. Juli: Die Redskins gibt es nicht mehr. Nach jahrzehntelangen Diskussionen um den rassistischen Namen entscheidet Owner Dan Snyder, diesen aufzugeben. Der neue Name bis auf Weiteres: Washington Football Team, kurz WFT. Es bleibt nicht der einzige WTF-Moment in Maryland im Jahr 2020: Ein Skandal um jahrelange sexuelle Belästigung auf höchster Ebene, eine jüngst ausgebrochene mediale Schlammschlacht zwischen Snyder und anderen Anteilseignern inklusive Gerüchten um Kinderhandel, die Entlassung von Quarterback Dwayne Haskins nach dem Besuch eines Strip-Clubs ohne Maske… hab ich was vergessen? Wahrscheinlich. Dabei hat es auch Feel-Good Stories gegeben: das Comeback von Alex Smith, die Einstellungen von Jennifer King (erste weibliche Vollzeittrainerin in der NFL) und Julie Donaldson als Senior Vice-President of Media, Ron Riveras erfolgreicher Kampf gegen den Krebs und vielleicht am Ende gar eine Playoff-Teilnahme. Keine Franchise hatte ein so turbulentes Jahr abseits des Platzes. Dass es nächstes Jahr ruhiger wird, scheint zweifelhaft.
15. Juli: Die Entlassung Todd Gurleys bei den Los Angeles Rams ist gerade vier Monate her, da binden die Tennessee Titans ihren Runningback Derrick Henry langfristig und teuer. Was Henry mit dem ersten fetten Gehaltsscheck seines neuen 50-Millionen-Vertrags macht? Er baut die Stiff-Arm-Hölle um zwei Räume aus, denn der Platz dort wird knapp. Die Investition wird sich schon bald als sinnvoll herausstellen.
23. Juli: Dass Russell Wilson das Sieger-Gen in sich trägt, hat er für die Seattle Seahawks oft genug bewiesen. Dass dieses vererbbar ist, wissen wir spätestens heute auch. Win Harrison Wilson, der neugeborene Sohn von Russell und Ciara sieht nicht nur aus wie sein Papa, er scheint den Siegeswillen auch in die Wiege gelegt bekommen zu haben. Es läuft im Hause Wilson. In den nächsten Monaten folgen ein Podcast bei ESPN, #LetRussCook-Küchenschürzen und eine eigene Duftmarke. Beim Promoten des Parfüms wird deutlich: Wilson hat auch in Sachen Babys den Anspruch, ganz vorne dabei zu sein. Bis zu den neun Kindern von Philip Rivers fehlen noch sechs. Gut, dass Ciara schon so riecht, als würde sie bald wieder schwanger sein. Wait, what?
24. Juli: Die Pandemie wütet inzwischen überall auf der Welt. Einige NFL-Spieler entscheiden sich auf Basis einer neuen Opt-Out-Regelung, die Saison nicht zu bestreiten. Der Kanadier Laurent Duvernay-Tardif ist der Erste, der von dieser Klausel Gebrauch macht. Anfang des Jahres gewann der Guard und Mahomes-Beschützer mit den Chiefs den Super Bowl, nun beschützt er Alte und Kranke vor Covid-19. Der ehemalige Medizinstudent arbeitet heute in einer Pflegeeinrichtung in Montreal.
28. Juli: Patrick Mahomes hat sich leider gegen die interessanten Vorschläge unseres Autors Florian entschieden und kauft Anteile des MLB-Teams aus Kansas City. Mahomes, Sohn eines Baseball-Profis und selbst ebenfalls begnadeter -Spieler, wird also Anteilseigner der Royals. Nachdem er in seinem Vertrag eine “No Trade”-Klausel einbauen ließ, macht er erneut deutlich, dass Kansas ohne Zweifel seine neue Heimat ist.
August
3. August: 16 footballbegeisterte Autorinnen und Autoren schließen sich zusammen, um die Website “Lead Blogger” ins Leben zu rufen.
“Unser Anspruch an uns selber ist es, euch qualitativ hochwertigen Content zu bieten. Clickbait und die reine Wiedergabe von Nachrichten werdet ihr bei uns nicht finden, denn jede Schlagzeile will in ihren Kontext eingeordnet werden.”
Rund sechs Monate nach Kickoff ist das Projekt in der Realität angekommen. Alle Mitwirkenden arbeiten nebenbei in eigenen Projekten, finden nicht immer Zeit, sich weiteren Texten und Inhalten zu widmen. Doch der Lead Blogger macht trotzdem den Weg frei. Vielleicht nicht mit der Snap-Frequenz eines Quarterbacks, aber durchaus mit der eines Fullbacks. Wir sind dankbar, dass ihr – Leserinnen und Leser – uns die Treue haltet.
Mitte August: Im Jahr der Pandemie will verständlicherweise nicht jeder Akteur spielen. Schnell wird klar, dass die NFL dafür Rahmenbedingungen schaffen muss. Am Ende steht die Möglichkeit des Opt-Outs. Die Konditionen: 2020 keine Bezahlung, aber 150.000 US-Dollar Vorabzahlung aus dem Verdienst für 2021. Spieler, die sich aus medizinischen Gründen gegen das Spielen entscheiden, erhalten 350.000 US-Dollar. Am Ende setzten über 80 Spieler aus. Keine Mannschaft leidet darunter sportlich so sehr wie die New England Patriots. Mit Patrick Chung, Dont’a Hightower und Marcus Cannon verzichten gleich drei Schlüsselspieler aufs Spielen. Die Defense kann in wenige Monate später nur stellenweise an die vergangene Saison anknüpfen. Die Franchise verpasst zum ersten Mal seit 2008 die Playoffs.
27. August: Erstmals seit anno dazumal gibt’s keine Vorbereitungsspiele in der NFL. Die Preseason ist das Methadon der Football-Fans, insbesondere für die, die den Football in Europa über Frühjahr und Sommer ignorieren. Meist beginnend mit dem Hall of Fame Game, zieht sie sich in der Regel über fünf Wochen. Nach anfänglicher Euphorie in Woche 1 und 2 (“Steelers vs. Eagles !!!”) über partielle Müdigkeit beim Zuschauen (“Ich will mir heute nur die Rookies ansehen”) bis hin zu “Es ist Football und nächste Woche beginnt die Saison”. Für die Spieler, besonders die am unteren Ende eines Kaders, sind diese Wochen entscheidend, um sich präsentieren zu können. Diese Möglichkeit gibt es 2020 ausschließlich in den Training Camps. Immerhin diese können durch die Absage der Vorbereitungsspiele weitestgehend komplett durchgezogen werden. Und durch die größeren Practice Squads kommen deutlich mehr jüngere Spieler als in anderen Jahren bei ihren Teams unter.
September
2. September: Wer dachte, Mahomes hätte die Offseason bereits genug gewonnen, der liegt falsch! Die guten Nachrichten vom Chiefs-Quarterback reißen nicht ab. Zu High-School-Zeiten versprach er seiner damaligen Freundin Brittany Matthews, dass er sie heiraten würde, sobald er seinen ersten Super-Bowl-Ring gewonnen habe. Wie wir wissen, passierte das im Februar und im September bekommt Britanny nun auch ihren Ring. The Mahomes’ keep on winning.
11.-12. September: Irgendwo in Ohio stehen einige Herzen still. Kurz darauf schlagen sie höher. Die Texte über falsche Investitionen in die Zukunft sprudeln aus dem Pro Football Focus-Headquarter über den Äther. Die Runningbacks Alvin Kamara, Dalvin Cook und Joe Mixon unterzeichnen Verträge, die aus analytischer Sicht der totale Wahnsinn sind. 75, 60 bzw. 50 Millionen US-Dollar betragen die Gehälter, die sie jeweils kassieren sollen. Besonders bei den Saints und Vikings, deren Cap Space über die nächsten Jahre eng gestrickt sind, wirkt das alles andere als schlau. Fantasy-Spieler mit Cook oder Kamara im Kader werden es verschmerzen können, bei Letzterem spätestens in den Finals.
20. September: Justin Herbert sticht Tyrod Taylor um den Quarterback-Posten bei den Los Angeles Chargers aus. Nun gut, nicht ganz so, wie man das erwartet hätte. Und irgendwie auch nicht direkt aus eigener Kraft. Ein Mannschaftsarzt wollte Taylor kurz vor dem Spiel in Week 2 eine Spritze gegen Schmerzen im Lungenbereich geben, punktierte aber dummerweise dabei die Lunge. So blöd das alles gelaufen ist – eigentlich müsste man dem Arzt einen Orden geben. Taylor geht es heute wieder gut. Und wer weiß, wann der sture Anthony Lynn sonst auf seinen jungen, erfrischenden Spielmacher Herbert gesetzt hätte, der Monate später den Rookie-Touchdown-Rekord bricht.
27. September: Was haben Leon Lett, DeSean Jackson und DK Metcalf gemeinsam? Sie machten einen ziemlich doofen Fehler, den sie wohl nie wieder machen werden in ihrem Leben.
29. September: Schon wieder gute Nachrichten von Patrick Mahomes. In die immer länger werden Liste an schönen Dingen, die Patrick Mahomes im Jahre 2020 passieren, reiht sich ein weiteres: Er wird Papa! Auf Twitter teilt das frisch verlobte Paar sein Glück mit der Welt. Ach, und sportlich läuft es auch ganz gut für die Chiefs.
Oktober
5. Oktober: Der 5. November 2020 dürfe bei vielen Texans-Fans künftig ein Feiertag sein. Nachdem Head Coach und General Manager in Personalunion, Bill O’Brien, die ersten dreieinhalb Jahre von Deshaun Watsons Karriere buchstäblich verschwendete, haben die Verantwortlichen genug. Bill O’Brien gone! Die Franchise aus Texas schmeißt BoB nach der Niederlage in Minnesota und einem 0-4-Start in die Saison hinaus. Kollektives Aufatmen bei allen, die es mit den Texans halten. Vor allem aber wohl beim Quarterback.
11. Oktober: Incompletions – scheißegal. Fehlwürfe – who cares. Niederlage – juckt nicht. Die unfassbare Comeback-Geschichte des Alex Smith kulminiert am 11. Oktober, als der Quarterback erstmals nach rund zwei Jahren, unzähligen Operationen und hunderten Stunden Reha wieder in einem NFL-Spiel auf dem Spielfeld steht.
15. Oktober: Earl Thomas sitzt gerade an dem Tisch in der Mitte des Raumes und versucht sich an einem Brief, mit dem er seine Frau zurückgewinnen will, als die massive Eichentür zur Stiff-Arm-Hölle aufschwingt und Josh Norman aus dem Dunkel erscheint. Thomas dreht sich um, nickt Norman verständnisvoll zu und widmet sich dann wieder seinem Brief. Norman erwidert den Blick nur kurz, dreht sich dann beschämt weg: “Sagen Sie jetzt nichts, Earl.”
26. Oktober: DK Metcalf betreibt Wiedergutmachung. Dieser Tweet gehört ins Museum:
November
8. November: Zur Abwechslung mal wieder sportliche Schlagzeilen aus dem Hause Mahomes: Nachdem Russell Wilson furios in die Saison gestartet und lange der klare Favorit bei den Buchmachern auf den MVP-Titel war, fällt er in sein alljährliches Midseason-Loch und kommt nicht mehr hinaus. Mahomes hingegen dominiert die Liga weiterhin nach Belieben. Die Konsequenz: Mahomes ist nun der neue Favorit auf den MVP-Titel und Aaron Rodgers scheint sein einziger ernsthafter Konkurrent zu sein. You do you, Patrick Mahomes. Was ein Jahr 2020!
22. November: Drew Brees verletzt sich gegen die 49ers schwer. Hat 12 gebrochene Rippen und eine punktierte Lunge. Jameis Winston übernimmt für den Altmeister und bringt den Sieg nach Hause. Ein paar Tage später schockt Sean Payton die NFL und verkündet Taysom Hill und nicht Jameis als neuen Starter in Abwesenheit von Brees. Was einige zunächst für einen Smokescreen halten, wird dann gegen die Falcons Realität. Hill startet, gewinnt gegen die Falcons und anschließend auch gegen die Broncos und erneut gegen die Falcons. Erst gegen die Eagles – ironischerweise gegen Jalen Hurts, einen durchaus ähnlichen QB-Typen – reißt die Serie und es setzt das erste L. Die Woche drauf kehrt Brees für den Showdown gegen die Chiefs zurück.
23. November: Die NFL arbeitet daran, aus Lippenbekenntnissen Handlungen zu machen. Am 23. November leitet erstmals eine All-Black-Schiedrichter-Crew Monday Night Football. Ein paar Tage später, am 29. November, ist Callie Brownson von den Cleveland Browns die erste Frau, die als Position Coach am Spielfeldrand steht.
29. November: Und plötzlich ist kein Quarterback mehr da. Drew Lock – raus. Brett Rypien – raus. Blake Bortles – raus. Jeff Driskel – die positiv auf Covid-19 getestete Kontaktperson. Den Denver Broncos sind die Spielmacher abhanden gekommen. Die Stunde des Kendall Hinton hat geschlagen. Der Wide Receiver von der Practice Squad und einstige Backup-Quarterback bei Wake Forest wird ohne eine einzige Trainingseinheit ins kalte Wasser geworfen. Er stellt sich einer unmöglichen, unangenehmen Aufgabe und erntet dafür den Respekt seiner Teamkollegen und der ganzen Liga – und das ist unabhängig von Ergebnissen und Zahlen einfach geil.
Dezember
7. Dezember: Es riecht lange nach der perfekten Saison. Nach zwölf Wochen stehen die Pittsburgh Steelers bei einem Record von 11-0. Doch Experten und Analysten wollten dem Braten nicht so recht trauen – die Art und Weise, wie Pittsburgh seine Spiele gewinnt, deutete nicht auf allzu große Nachhaltigkeit hin. Gegen ein Corona-geplagtes B-Team der Ravens tun sich die Steelers mit 19:14 schon ungemein schwer. Fünf Tage später folgt dann die fast unweigerliche erste Niederlage – ausgerechnet gegen das Washington Football Team, das bis dato alles andere als in Glanz erstrahlte. 17:23 unterliegen die Steelers zu Hause. Es folgen Niederlagen bei den Bills (15:26) und den 2-11-1 Bengals (17:27). Vom besten Record der AFC werden die Steelers plötzlich auf Platz 3 katapultiert. Der wichtige Heimvorteil während der Playoffs verpufft.
Mitte Dezember: Ende Oktober sagte Wide Receiver Tyreek Hill über die Chase-Down-Aktion von DK Metcalf, dass er so etwas nicht zeigen könne. Weil sein Quarterback Patrick Mahomes einfach keine Interceptions schmeiße. Mitte des Monats ereignet sich dann aber eine Mini-Serie, die mit drei Interceptions gegen die Miami Dolphins beginnt und mit einem Beinahe-Pick-Six gegen die Atlanta Falcons endet. Wer das Unheil verhindert? Tyreek “Das passiert Pat nicht” Hill. Spätestens jetzt ist der fast (Tampa Bay Buccaneers) fehlerlose Aaron Rodgers alleiniger Favorit auf den MVP-Titel.
13. Dezember: Die Partie gegen die Titans ist für die Jaguars eine zum Vergessen. Denn die digitale Anzeigetafel zeigt nach dem finalen Pfiff eine 10:31-Pleite an. Lediglich Runningback James Robinson kann auf Seiten der Jags für wenige Highlights sorgen – etwa sein Lauf über 47 Yards während des zweiten Durchgangs. Damit löst Robinson das Ticket zu einem exklusiven Club: 1.000 Rushing-Yards als Undrafted Rookie. Das schafften bisher nur Dominic Rhodes (1.104), Phillip Lindsay (1.037) und LaGarrette Blount (1.007). Aktuell steht er bei 1.070 Yards, es fehlt also nicht mehr viel zum Rekord. Robinson hat sich als absoluter Glücksgriff entpuppt – vor der Saison hatten die Jaguars den ehemaligen Fourth-Overall Pick Leonard Fournette entlassen. Der Move war sicherlich auch den guten Leistungen von James Robinson während des Camps geschuldet.
13. Dezember: Der beste Pass Rusher der Seattle Seahawks ist ein Strong Safety. Zumindest auf dem Papier. Jamal Adams, der Allzweck-Verteidiger/Linebacker/Defensive End/Sacksiest DB Alive, bricht den NFL-Sack-Rekord für Defensive Backs – auch weil er sich gefühlt öfter an der Line of Scrimmage aufhält als im Backfield.
20. Dezember: Im Jahr 2008 waren es die Lions, in 2017 die Browns. Auch den 2020er-Jets hätte das Schicksal einer sieglosen Saison ereilen können. Doch im vierten Akt der Saison folgt eine äußerst überraschende Wendung: Als 17-Punkte-Underdog bei den Los Angeles Rams von den Buchmachern installiert, gelingt Adam Gase, Sam Darnold und Co. ein kleines Wunder. Die Jets, zu dem Zeitpunkt bei 0-13, besiegen die LA Rams mit 23:20 und sorgen so für einen der größten Upsets der vergangenen 30 Jahre. Für die Spieler und den Trainerstab ist das ein großer Segen – niemand wird in der Zukunft in Geschichtsbüchern mit einem der drei historischen, sieglosen NFL-Saisons assoziiert. Nun wird man sagen: “Wisst ihr noch, als die Jets damals auswärts bei den Rams gewonnen haben?”
Viele Fans sind weniger glücklich darüber, hat die Gang Green womöglich ihre Chance auf den ersten Pick und damit Quarterback-Wunderkind Trevor Lawrence verspielt. Die Spieler interessieren sich für das Hier und Jetzt, einige Fans mehr für die nächsten zehn Jahre. Niemandem kann man seine Sichtweise verübeln.
21. Dezember: Josh Norman und Earl Thomas stehen mit dem Rücken zur Tür, den Blick auf die große schwarze Tafel gerichtet, auf der in fetten weißen Lettern steht: Action Plan zur Eliminierung des Henry-Stiff-Arms. Plötzlich klopft es: “Nina, bist du es”, ruft Thomas mit halb ängstlicher, halb sehnsüchtiger Stimme. Norman schaut ihn krumm von der Seite an, sagt: “Herein!” Die Tür schwingt auf und Alex Myres tritt ein. Die Erleichterung ist Earl Thomas anzusehen: “Ach, du auch?!” Myres blickt drein, als wisse er nicht, was er darauf erwidern solle. Norman bricht das Schweigen: “Alex, komm hier rüber, wir machen gerade einen Plan. Wir haben ihn die ‘Trump-Regel’ getauft. Wenn wir es bei der NFL durchgewinkt bekommen, dass Du-weißt-schon-wer den Ball nur noch beidhändig tragen darf, dann…”
21. Dezember: Für viele ist Cluesos Song “Flugmodus” einer der Hits des Jahres, weil sich 2020 wie ein einziger “permanenter Jetlag” anfühlt. Dem Wide Receiver JuJu Smith-Schuster von den Steelers aber hat es ein anderes Lied des Erfurter Songwriters angetan: “Tanzen”.
“Nein, es ist gar nichts okay (okay)
Für mich ist es sitzen bis spät (spät)
Für dich Disko-Realität
Ich warte, dass du mal was sagst, doch
Du musst tanzen”
Zumindest bis Week 15. Jetzt muss (will/darf/kann) JuJu nicht mehr tanzen. Dann setzt Vonn Bell vielleicht weniger ein Zeichen gegen den durchaus sympathischen Smith-Schuster als vielmehr ein ganz generelles gegen Arschwackeln, Sexualisierung und Objektifizierung bei TikTok.