Es war der NFL Draft der Quarterbacks. Aber es war auch der NFL Draft der Wide Receiver und Offensive Tackles. Es war der Draft der Browns und Bears und der Draft, an dem die NFL zur Normalität zurückkehrte.
Jan Weckwerth und Jonas Stärk beantworten mit etwas Abstand zum großen NFL-Offseason-Wochenende die großen bleibenden Fragen. Thomas Psaier hat sie gestellt.
1) Was war für dich das Leitmotiv, unter dem du den NFL Draft 2021 in Erinnerung behalten wirst?
Jan Weckwerth: Back to normal. Nach der entschleunigten Variante des vergangenen Jahres bemühte sich die NFL um eine – wenngleich in einigen Bereichen eingeschränkte – Rückkehr zur üblichen Draft-Zeremonie der Jahre zuvor. Ich fand die letztjährige Durchführung angesichts der Pandemie ziemlich passend, aber es war klar, dass die NFL eine zweite solche Ausgabe vermeiden wollte. Und natürlich war es für die Top-Prospects wieder ein angemessenerer Rahmen.
Jonas Stärk: „Überraschend normal“ – aber unter einem etwas anderen Gesichtspunkt: Klar, es gab hier und da Überraschungen, aber ich finde, dass es nicht mehr war, als sonst auch. Wenn man die Vorzeichen mit Corona bedenkt, gab es doch erstaunlich wenig Abweichungen von dem, was im Vorfeld prognostiziert wurde.
2) Welche eine Draftklasse ist für dich die gelungenste in diesem Jahr?
Jan Weckwerth: Harte Entscheidung zwischen den Giants und Browns. Ich wähle letztlich die Browns, die mit ihren ersten beiden Picks (Greg Newsome, Jeremiah Owusu-Koramoah) nicht nur exzellenten Value eingesammelt haben, sondern gezielt Schwachstellen ihres Kaders beheben konnten. Abgesehen vom „übergedrafteten“ 3rd round WR Anthony Schwartz gefallen mir auch die späteren Picks. DT Tommy Togiai könnte schnell in die Rotation rücken, und später fiel den Browns All-Purpose Waffe Demetric Felton in den Schoß, mit dem man in Offense und Special Teams so einiges anstellen kann. Und als ob das alles nicht genug wäre, konnte man sich zudem noch DT Marvin Wilson in den UDFAs sichern, der niemals hätte aus der Draft fallen dürfen. Die Browns entwickeln sich immer mehr zum heißen Contender.
Jonas Stärk: Browns! Hier kann man eigentlich sogar die ganze Offseason in die Bewertung einbeziehen, denn bereits in der Free Agency handelten sie extrem klug. Das Duo Berry/Stefanski entpuppt sich immer mehr als Glücksfall für das leidgeprüfte Team.
Newsome war in Runde 1 dringend benötigte Hilfe für die Secondary. Mit Owusu-Koramoah war Ende der zweiten Runde einer der größten Steals des Drafts. Der pfeilschnelle Schwartz ist eine Wild Card, könnte aber bei Stefanskis vertikalen Play-Action Shots gefährlich werden. James Hudson III und Tommy Togiai sind in Runde 4 mehr als solider Value. Und abgeschlossen wird die Draftklasse mit dem sehr interessanten WR/RB Hybrid Felton, der besonders in Stefanskis vielen Trick-Plays eingebunden werden kann.
3) Und welche eine Draftklasse ist mal so richtig verwachst?
Jan Weckwerth: Mit zu negativen Urteilen über Draftklassen halte ich mich in der Regel zurück, da hier oftmals nur mit dem eigenen Board abgeglichen wird und diese Einschätzungen einem gerne mal auf die Füße fallen. Es gibt ja verschiedene Ausprägungen einer „verwachsten“ Klasse, daher entziehe ich mich etwas unelegant der Frage.
Erstens kann man aus viel Draftkapital zu wenig machen. Da sehe ich insbesondere die Jaguars in der Gefahr, die nach der offensichtlichen Wahl von QB Trevor Lawrence aus vier weiteren Picks in den ersten 65 meiner Ansicht nach zu wenig rausgeholt haben und teilweise auch schlicht zu viel Risiko gegangen sind.
Zweitens kann man bei wenig Draftkapital fragwürdige strategische Entscheidungen treffen. Das trifft insbesondere auf die Texans zu. Ich mag zwar die meisten ihrer Picks, aber ich kann ihre sehr teuren Uptrades (inklusive des Verscherbeln von zukünftigen Picks) bei einem sowieso löchrigen Kader überhaupt nicht nachvollziehen. Und ob es ausgerechnet ein Quarterback mit dem ersten Pick sein musste, wenn man schon die ersten zwei Runden zuschauen muss?
Drittens kann man zu stark an offensichtlichen Needs vorbeipicken (obwohl ich tendenziell ein Freund von BPA-Strategien bin). Hierfür wären die Colts ein Beispiel, die mehrfach ihre riesige Lücke auf LT ignorierten und sich zu Beginn gleich zweimal im Passrush bedienten (wobei 2nd Rounder Odeyingbo nach seinem Achillessehnenriss wohl eh nicht so schnell einsatzbereit sein wird). Zudem wurde versäumt, das Receiving-Corps in dieser extrem tiefen Klasse nachhaltig zu verstärken.
Jonas Stärk: Die Klasse der Saints gefällt mir nicht, da sie meiner Meinung nach die Bedürfnisse des Kaders verkennt. New Orleans ist gezwungenermaßen in einer Umbauphase. Die Draftstrategie, welche mal wieder in nur sechs Picks mündete, sah jedoch eher nach einem Team aus, welches sich noch mitten im Championship Window wähnt. Ein größerer Zufluss von jungen und günstigen Spielern hätte dem Kader definitiv gutgetan.
4) Der Draft hat keine Zweifel gelassen: Die Steelers haben die falschen Schlüsse aus der letzten Saison gezogen. Wie lange wird Pittsburgh diesem Draft noch nachweinen?
Jan Weckwerth: Ich begebe mich mal in die Außenseiterrolle und sage, dass ich die Steelers-Draft bei Weitem nicht so katastrophal fand wie viele andere. Das liegt schlicht daran, dass ich die ersten vier Picks allesamt höher eingeschätzt habe als der Konsensus. Gerade von iOL Kendrick Green erwarte ich einiges. Sicherlich lässt sich drüber diskutieren, dass man OT etwas früher hätte bedienen sollen, doch das trifft auf andere Franchises mindestens ebenso stark zu (Colts).
Ich glaube nicht, dass wir in drei Jahren bei den Steelers auf eine der fünf schlechtesten Klassen von 2021 zurückschauen werden. Aber da mag ich mich natürlich irren. Wir werden sehen.
Jonas Stärk: Ob viele der Klasse nachweinen werden, weiß ich nicht, da am Ende oft die Spieler bewertet werden und selten die Draftstrategie und der Positional Value. Sollte also Najee Harris funktionieren, werden wohl viele den Pick gutheißen, obwohl er unsinnig war.
Nichtsdestotrotz wirft diese Klasse Pittsburgh zurück. Große Needs wie die Offensive Line und das Defensive Backfield werden auf Kosten eines Running Backs viel zu geringfügig bedient. Abgesehen von Pat Freiermuth holten die Steelers keinen Spieler, der Big Ben und damit der Offense maßgeblich weiterhelfen wird. Auch ein möglicher Plan auf Quarterback für die Zeit nach Roethlisberger ist noch nicht gefunden. Der Druck liegt damit erneut fast komplett auf der Defense.
Gleichzeitig enteilt die Konkurrenz aus Cleveland und Baltimore. Die Kraftverhältnisse in der AFC North könnten sich nachhaltig verschoben haben.
5) Welcher QB wird 2021 den erfolgreicheren NFL-Einstand feiern: Trevor Lawrence in Jacksonville oder Zachary Wilson in New York?
Jan Weckwerth: Wilson hat durch diese und die vergangene Draft vielleicht die etwas besseren Voraussetzungen, was seinen Supporting-Cast betrifft, dennoch muss ich hier auf Lawrence setzen. Der wird zwar auch seine Growing Pains haben, ist für mich aber insbesondere in Sachen Pocketverhalten und Entscheidungsschnelle eine Ecke weiter. Und vielleicht gelingt es HC Urban Meyer ja sogar, einige Elemente seiner extrem QB-freundlichen College-Offenses bei den Jaguars zu implementieren. Der erste Auftritt von Lawrence ist für mich must-watch TV.
Jonas Stärk: Wie so oft könnte das am Ende von den Umständen abhängen. Hier sehe ich die Jets etwas positiver. Mit Corey Davis, Denzel Mims und Elijah Moore hat das Team aus dem Big Apple eine sehr ordentliche Receiver-Gruppe. Die Offensive Line bleibt noch ein Fragezeichen, obwohl man mit Spielern wie Mekhi Becton und Alijah Vera-Tucker bereits ein paar ordentliche Eckpfeiler hat. Allerdings sollte man mit dem Schema von Mike LaFleur, welches er aus seiner Zeit unter Kyle Shanahan in San Francisco mitbringt, das eine oder andere Problem der Offensive Line maskieren können. Deshalb sehe ich insgesamt leicht bessere Chancen bei Wilson.
6) Wie viele Extremitäten wettest du gegen einen Rookie-des-Jahres-Preis für Trey Lance?
Jan Weckwerth: Nicht viele, da Lance ideal in die Shanahan’sche Offense passt und so einige seiner Schwächen kaschiert werden können. Ich halte es aber auch nicht für komplett unwahrscheinlich, dass die 49ers zunächst mit Jimmy-G in die Saison gehen und erst nach einigen Spielen den QB-Wechsel vornehmen. Das würde seine Chancen natürlich entsprechend schmälern.
Jonas Stärk: Das hängt von einer Frage ab: Spielt er oder nicht? Die Weigerung der 49ers, Garappolo zu traden, könnte darauf hinweisen, dass er in der nächsten Saison noch der Starter sein könnte. Wenn Lance jedoch spielen sollte, stehen seine Chancen gut. Schließlich hatte ich ja bereits angesprochen, wie wichtig das Umfeld für Rookie Quarterbacks ist und San Francisco bietet Lance mit ihrem Supporting Cast und Play-Caller Kyle Shanahan ohne Frage die beste Situation aller Rookie Quarterbacks.
7) Falcons, Dolphins, Lions, Panthers und Broncos verzichten also auf Justin Fields. Welches dieser fünf Teams wird in drei Jahren am dümmsten aus der Wäsche schauen?
Jan Weckwerth: Für mich eindeutig die Broncos. Bei den anderen Teams kann man mehr oder wenige gute Erklärungen anführen, bei den Broncos gibt es schlicht gar keine. Sie verfügen über einen wirklich gut und tief besetzten Kader, dem „nur“ ein Quarterback fehlt um ein ganz heißer Contender zu werden. Nach eigener Aussage haben sie Fields ja nicht einmal schlecht gerankt, sondern CB Patrick Surtain eben noch ein Stück höher. Das darf in diesem Fall aber kein Argument sein. Unverzeihlich.
Jonas Stärk: Ich bin da bei Jan. Am schwersten wiegt der Fehler der Broncos. Der Kader des Teams von Head Coach Vic Fangio und Neu-GM George Paton ist nicht weit von der Qualität eines echten Contenders entfernt. Nur auf Quarterback – der wichtigsten Position im Football – ist Denver nach wie vor qualitativ am Bodensatz der Liga zu finden. Sollten Drew Lock oder Teddy Bridgewater keinen großen Leistungssprung genießen, wird man wohl ein weiteres Jahr mit einem Top-Kader verschwenden, da das wichtigste Teil fehlt. Einzig ein Trade für Aaron Rodgers könnte diesen Fehler weniger schwerwiegend aussehen lassen.
8) Justin Fields geht also via Trade zu den Bears. Wie gut ist der Scheme-Fit mit Matt Nagys “Andy Reid light”-Offense? Wie kritisch wird die Wackel-O-Line, sollte Fields schnell starten?
Jan Weckwerth: Bei Fields habe ich mir im Vorfeld wenig Gedanken um den Scheme Fit gemacht, da er sich dank seiner herausragenden Accuracy auf allen Ebenen des Feldes sowie innerhalb und außerhalb der Pocket mit ein wenig Anlaufzeit in verschiedene Systeme einfinden kann. Grundsätzlich mochte ich den Uptrade von GM Ryan Pace für den zu tief gefallenen OT Teven Jenkins in Runde 2, da man damit eine der Schwachstellen offensiv behebt und Fields gleich mal unter die Arme greift. Überhaupt nicht verstanden habe ich daher die Entlassung des soliden LT Charles Leno wenige Tage nach der Draft. Hier hätte man zunächst einmal die größtmögliche Qualität zusammenhalten müssen, allein in Anbetracht der Tatsache, dass der vielleicht größte Schwachpunkt von Fields das Verhalten unter Druck ist.
Jonas Stärk: Hier passt der Fit für mich wie die Faust aufs Auge. Die horrenden Auftritte mit Nick Foles in der letzten Saison zeigten deutlich, dass Nagys Offense besser mit einem mobilen Quarterback funktioniert. Genau das gibt Fields den Bears. Zudem hat Nagy bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er seinen QBs einfache, klare und schnelle Reads präsentieren kann, während er seine QBs gerne und oft aus der Pocket raus bewegt. So können die Schwächen von Fields gegen Druck maskiert und die Unsicherheit der Offensive Line umspielt werden.
9) Ich hab eine klare Meinung: Der Jets-Trade für Alijah Vera-Tucker war der strategisch schlechteste Trade am Draftwochenende. Zustimmung? Ablehnung?
Jan Weckwerth: Selbst mit dem Zusatz „strategisch“ bin ich vorsichtig, da ich Vera-Tucker für einen der besten Spieler dieser Draftklasse halte, der auf OG meiner Ansicht nach sogar Starpotenzial hat. Dennoch gebe ich dir recht, dass der Trade von #23 auf #14 in Anbetracht der Alternativen etwas unnötig und zu teuer gewesen ist. Letztlich haben wir in der ersten Runde ja erneut nicht so wahnsinnig viele Trades erlebt, und da sticht dieser Trade im Vergleich schon etwas negativ hervor.
Ich fand einige Trades in den späteren Runden inhaltlich deutlich fragwürdiger, nur ist da letztlich eben nicht so viel Draftkapital reingeflossen.
Jonas Stärk: 100% Zustimmung! Insgesamt hatten die Jets um GM Joe Douglas keinen schlechten Draft. Der Trade macht aber aus vielen Gründen wenig Sinn. Klar, die Interior Offensive Line war ein großes Need und Alijah Vera-Tucker wohl das beste Prospect auf dieser Position. Allerdings ist der Wert eines Guards in der ersten Runde generell fragwürdig und der Up-Trade erhöht zusätzlich den eingesetzten Wert für ein Team, dessen Kader eigentlich jeden Draftpick hätte gebrauchen können. Auch die Tiefe auf der Position an Tag 2 war nicht so schlecht. So ist es beinahe sinnbildlich, dass Trade-Partner Minnesota mit einem der getradeten Jets-Picks seinerseits mit Wyatt Davis einen wohl zukünftigen Starting Guard holte.
10) Was war dein favorisierter Day-2-Pick?
Jan Weckwerth: Das ist ausnahmsweise einfach: Jeremiah Owusu-Koramoah zu den Browns. War auf meinem Board ein Top 10-Player. Glaube nicht, dass der nur wegen der kolportierten Herzprobleme gefallen ist, sondern weil viele Defensive Coordinators schlicht zu konservativ und starr eingestellt sind, für ein solch spezielles Talent eine Position zu kreieren.
Jonas Stärk: Die zweite Runde bietet oft einige scheinbare Steals mit Spielern, die im Vorfeld in Runde 1 gehandelt wurden. Owusu-Koramoah wäre wohl die offensichtliche Antwort. Mein persönlicher Lieblings-Pick ist aber Dyami Brown in Runde 3, der vom Washington Football Team ausgewählt wurde. Der Receiver von der UNC ist ein idealer Partner für den etablierten Terry McLaurin und sollte Quarterback Ryan Fitzpatrick eine gefährliche vertikale Waffe bieten.
11) Und dein favorisierter Day-3-Pick?
Jan Weckwerth: Das sind schlicht viel zu viele, um sie nennen zu können. Daher mach ich es jetzt ganz stumpf, gleiche mein Board mit der realen Draft ab und sage: S Jamar Johnson zu den Broncos. Doch da würden sich mindestens zehn andere Picks ebenso gut eignen.
Jonas Stärk: Hier bin ich ausnahmsweise mal ein Homer und nehme Ihmir Smith-Marsette, der von den Minnesota Vikings in der fünften Runde ausgewählt wurde. „ISM“ litt besonders unter schlechtem QB-Play in Iowa und könnte besonders im vertikalen Passspiel früh eine Rolle spielen. Im dünnen Receiver Depth Chart der Vikings hat er gute Chancen auf Einsatzzeit. Zudem bringt er auch Qualitäten als Returner mit. Andere starke Day 3 Picks sind für mich Trey Smith (Chiefs), Stone Forsythe (Seahawks) und Tay Gowan (Cardinals).
12) Sagen wir, es ist Ende sechste Runde und du bist noch am Board: Würdest du lieber deinen Namen im Live-TV als Draftpick verkündet sehen oder ungedraftet bleiben um dir letztlich selbst dein Team auszusuchen?
Jan Weckwerth: Gute Frage, da beides seine Vorteile hat. Als alter Draftromantiker entscheide ich mich jetzt einfach mal spontan und ohne besonders gute Gründe für den Pick. Teil der Draftklasse zu sein hat einen symbolischen Wert an sich – und sollte ich nach dem Trainings Camp entlassen werden, hätte ich ja theoretisch immer noch eine gewisse Auswahl. Ich kann aber genauso den Gedanken nachvollziehen, sich sein Team unter mehreren Bewerbern auszusuchen. Nur verwenden viele Teams ja ihre 7th Rounder auf diejenigen vermeintlichen UDFA-Kandidaten, die sie unbedingt haben wollen, bei denen die Chancen aber mitunter schlecht stehen.
Jonas Stärk: Als Spieler würde ich gedrafted werden wollen, auch wenn es spät ist. Man hat zumindest noch leicht erhöhte Chancen auf einen Kaderplatz, man bekommt im Normalfall ein bisschen mehr Geld und durch den (geringen) Signing Bonus ist zumindest ein kleiner Teil davon garantiert, was abgesehen von wenigen Ausnahmen bei undrafted Free Agents nicht der Fall ist.
13) Wie kann es passieren, dass hoch gehandelte Prospects wie S ArDarius Washington oder DT Marvin Wilson ungedraftet bleiben?
Jan Weckwerth: Sowas passiert erfahrungsgemäß immer wieder. Bei Washington ist es die Kombination klein, leicht und langsam, die der NFL seit längerem Probleme bereitet – egal, was für ein absoluter Playmaker du im College warst. In den vergangenen beiden Jahren hatte ich den Eindruck, dass athletische Werte angesichts der größeren Einschränkungen im Scouting noch einmal an Relevanz gewonnen haben. Auch in diesem Punkt agiert die NFL meiner Ansicht nach zu konservativ, wenngleich natürlich gewisse athletische Grenzwerte durchaus ihre Berechtigung haben – aber doch bitte nur im Kontext.
Bei Wilson kam einiges zusammen: der Leistungsabfall 2020 (gegenüber seiner herausragenden 2019er Saison), die Verletzung und die schlechten athletischen Testwerte. Ich halte es zudem nicht für ausgeschlossen, dass seine Äußerungen im Zuge der Black Lives Matter-Proteste (und sein diesbezüglicher Konflikt mit HC Mike Norvell) eine Rolle gespielt haben könnte – obwohl er sich da absolut nichts hat zu Schulden kommen lassen. Denn wenn man nur sein Tape betrachtet (selbst das von 2020), kann man eigentlich nicht umhinkommen ihn als ziemlich sicheren Draftpick zu beurteilen.
Jonas Stärk: Bei Washington ist der Fall relativ klar, obwohl er für mich ein Top 100 Spieler war. Die Teams haben meistens sehr strikte körperliche und athletische Kriterien für die Prospects und da fiel der ehemalige TCU-Safety durch seine geringe Größe in Kombination mit maximal durchschnittlichem Speed schlicht durchs Raster.
Wilson hat sich mit seinem 2020er Tape absolut nicht geholfen. Zudem bereiten auch seine physischen Voraussetzungen Kopfschmerzen, da er zwar die Statur eines 3-Technique Defensive Tackles hat, aber athletisch eher als Nose Tackle einzuordnen ist. Körperlich zwischen zwei möglichen Rollen zu liegen, aber in keine davon wirklich zu passen, ist oft Gift für den Draftstatus.